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Rechtsfragen zum Begriff der Erziehungsberechtigten

12.940/0003-III/3/2005
SachbearbeiterIn: MR Mag. Andrea Götz
Abteilung: III/3
E-mail: andrea.goetz@bmbwk.gv.at
Telefon/Fax: +43(1)/53120-2365/53120-81 2365

Rundschreiben Nr. 17/2005 (BMBWF)

Verteiler: VI
Alle Zentrallehranstalten
Alle höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten
Sachgebiet: Schulrecht
Inhalt: Rechtsfragen zum Begriff der Erziehungsberechtigten
Geltung: unbefristet
Angesprochener Personenkreis: Schulaufsicht, Schulleiter/innen, Lehrer/innen
Rechtsgrundlage: Schulunterrichtsgesetz, ABGB

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur wurde in letzter Zeit wiederholt mit Fragen betreffend die Stellung jener Personen, die mit einer/einem Erziehungsberechtigten eines Schülers/einer Schülerin in einer Lebensgemeinschaft leben, hinsichtlich deren Rechte im Schulbereich befasst. Nachstehende Ausführungen sollen die rechtliche Position dieser Personen in schulischen Angelegenheiten näher beleuchten.

Während das Schulrecht an den verschiedensten Stellen den Begriff des „Erziehungsberechtigten“ verwendet, kennt das bürgerliche Recht diesen Terminus (mit geringfügigen Ausnahmen) nicht. Hier ist vielmehr vom „Träger der Obsorge“ die Rede.

§ 144 ABGB: „Die Eltern haben das minderjährige Kind zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen so wie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen.“

§ 146 ABGB: „Die Pflege des minderjährigen Kindes umfasst besonders die Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf.“

Obsorge (§§ 144 und 146 ABGB) ist als Sammelbegriff für alle Rechte und Pflichten zwischen Eltern und Kindern zu verstehen. Dazu zählen im Wesentlichen:

  1. das Recht/die Pflicht der Pflege und Erziehung
  2. das Recht/die Pflicht der Vermögensverwaltung
  3. das Recht/die Pflicht der gesetzlichen Vertretung

Eine scharfe Abgrenzung dieser Teilbereiche ist nicht immer möglich. So betrifft etwa der Erwerb von Vermögen für das Kind jedenfalls die Teilbereiche 2 und 3, die Anmeldung an einer Schule primär die Teilbereiche 1 und 3. Besonders im Schulrecht kann das im Gesetz verankerte Tätigwerden der Erziehungsberechtigten unterschiedlich, einmal als Ausfluss des Rechtes/der Pflicht der Erziehung oder aber auch als Handeln als gesetzliche Vertretung verstanden werden (vgl Beratung zwischen Lehrern und Erziehungsberechtigten iSd § 62 SchUG).

Im Bereich der Obsorge, also auch im Teilbereich Pflege und Erziehung, ist zwischen Rechten im Innen- und jenen im Außenverhältnis zu unterscheiden. Im Außenverhältnis wird der Träger/die Trägerin der Obsorge (auch in Angelegenheiten der Erziehung) als gesetzlicher Vertreter/gesetzliche Vertreterin tätig, er /sie gibt gegenüber Dritten rechtsverbindliche Erklärungen ab; im Innenverhältnis wird etwa die Unterstützung bei Hausübungen im Rahmen der Förderung der Ausbildung als Teilbereich der Pflege und Erziehung tatsächlich besorgt. Die Unterscheidung dieser beiden Bereiche ist insofern von Relevanz, als in vielen Fällen die gesetzliche Vertretung (Außenverhältnis) von einem Elternteil nicht ausgeübt werden darf, während das Recht auf Erziehung im Innenverhältnis unberührt bleibt. So kann beispielsweise ein besachwalteter Elternteil zwar (das Erziehungsrecht im Innenverhältnis wahrnehmend) mit dem Kind die Hausübungen machen, diesbezügliche Auskünfte bei den Lehrkräften einholen etc., jedoch nicht (als gesetzliche Vertretung im Außenverhältnis) eine Berufung einbringen.

Eheliches – uneheliches Kind
Träger der Obsorge eines ehelichen Kindes sind Vater und Mutter, eines unehelichen Kindes nur die Mutter (vgl. § 166 ABGB). Weder der leibliche Vater eines unehelichen Kindes, selbst wenn er Lebensgefährte der Mutter ist, noch der Stiefvater oder der Lebensgefährte der Mutter hat eine zivilrechtliche Vertretungsbefugnis (Ausnahme: leiblicher Vater mit Gerichtsbeschluss). Daher sind diese Personen auch nicht als Erziehungsberechtigte im Sinne des Schulrechts (§ 60 SchUG) zu verstehen.

Zur Frage der Mitgliedschaft bei einem Elternverein:
§ 63 Abs. 1 SchUG: Die Schulleiter haben die Errichtung und die Tätigkeit von Elternvereinen zu fördern, die satzungsgemäß allen Erziehungsberechtigten von Schülern der betreffenden Schule zugänglich sind.

§ 63 Abs. 2 SchUG: Die Organe des Elternvereines können dem Schulleiter und dem Klassenvorstand Vorschläge, Wünsche und Beschwerden mitteilen; der Schulleiter hat das Vorbringen des Elternvereines zu prüfen und mit den Organen des Elternvereines zu besprechen.

aus § 63a Abs. 5 SchUG: Besteht an der Schule ein Elternverein im Sinne des § 63, so ist dieser berechtigt, den Wahlvorsitzenden zu bestellen und einen Wahlvorschlag für die Wahl des Klassenelternvertreters (Stellvertreters) zu erstatten.

aus § 64 Abs.6 SchUG: Besteht für die Schule ein Elternverein im Sinne des § 63, so sind die Vertreter der Erziehungsberechtigten jedoch von diesem zu entsenden; hiebei dürfen nur Erziehungsberechtigte von Kindern, die die betreffende Schule besuchen, entsendet werden.

Dies bedeutet, dass einerseits die Möglichkeit besteht, die Statuten eines Elternvereines frei zu gestalten, bestimmte Rechte jedoch nur eingeräumt werden, wenn es sich um einen Elternverein im Sinne des § 63 SchUG handelt. § 63 SchUG meint jene Elternvereine, welche satzungsgemäß allen Erziehungsberechtigten von Schülern/Schülerinnen der betreffenden Schule zugänglich sind. Die Statuten können natürlich zusätzlich die Mitgliedschaft weiterer, über diesen Personenkreis hinaus gehender Personen (wie etwa Lebensgefährt/inn/en, Großeltern etc.) vorsehen, ohne dass dies die obgenannten Rechte einschränkt. Sofern die Vereinsstatuten es vorsehen, können diese Personen auch Organfunktionen (Obmann, Obfrau, etc.) in dem betreffenden Elternverein übernehmen. Die Bestellung einer solchen, nicht erziehungsberechtigten Person zum/zur Wahlvorsitzenden im Sinne des § 63a SchUG bzw. dessen/deren Entsendung als Vertreter/in der Erziehungsberechtigten im Sinne des § 64 SchUG ist hingegen nicht zulässig, also rechtsunwirksam, da diese Funktionen gemäß Schulunterrichtsgesetz den tatsächlich Erziehungsberechtigten vorbehalten sind.

Obsorge im Fall der Scheidung:
Im Fall der Ehescheidung sind grundsätzlich beide Elternteile mit der Obsorge betraut, wobei jedoch eine vom Gericht zu genehmigende Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt des Kindes zu treffen ist (sog. „Domizilvereinbarung“). Abweichend davon kann auch nur einer der geschiedenen Elternteile (nämlich jener, bei welchem das Kind den hauptsächlichen Aufenthalt hat) mit der Obsorge betraut sein. Eine dritte Variante ist, dass einer der geschiedenen Elternteile die volle Obsorge hat und der andere einen Teil der Obsorge (zB: Vater ist Lehrer; Mutter hat die volle Obsorge und zusätzlich hat der Vater – gleich wie die Mutter – die Obsorge in den schulischen Angelegenheiten des Kindes). Eine Aufteilung“ der Obsorge (zB: Vermögen: Vater – Erziehung: Mutter) ist jedoch nicht möglich. Einer der beiden Elternteile (nämlich jener, bei welchem sich das Kind hauptsächlich aufhält) muss immer die volle Obsorge innehaben. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 61 Abs. 3 SchUG bzw. § 10 der Schulordnung die Erziehungsberechtigten eine Meldepflicht hinsichtlich – auch – der Innehabung bzw. eines allfälligen Überganges des Erziehungsrechtes trifft. Darüber sind die Erziehungsberechtigten seitens der Schule zu informieren.

Informations- und Äußerungsrechte (Terminus seit 1.7.2001; früher sog. „Mindestrechte“):
ABGB, § 178. (1) Soweit ein Elternteil nicht mit der Obsorge betraut ist, hat er, außer dem Recht auf persönlichen Verkehr, das Recht, von demjenigen, der mit der Obsorge betraut ist, von wichtigen Angelegenheiten, insbesondere von beabsichtigten Maßnahmen nach § 154 Abs. 2 und 3, rechtzeitig verständigt zu werden und sich hiezu in angemessener Frist zu äußern. Findet trotz Bereitschaft des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils ein persönlicher Verkehr mit dem Kind nicht regelmäßig statt, so stehen diese Rechte auch in minderwichtigen Angelegenheiten zu, sofern es sich dabei nicht bloß um Angelegenheiten des täglichen Lebens handelt. Die Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht.
(2) Kommt der mit der Obsorge betraute Elternteil seinen Pflichten nach Abs. 1 beharrlich nicht nach, so hat das Gericht auf Antrag, sofern das Wohl des Kindes gefährdet scheint, auch von Amts wegen angemessene Verfügungen zu treffen.
(3) Würde die Wahrnehmung der Rechte nach Abs. 1 das Wohl des Kindes ernstlich gefährden oder nimmt sie der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil in rechtsmissbräuchlicher oder für den anderen in unzumutbarer Weise in Anspruch, so hat das Gericht diese Rechte auf Antrag einzuschränken oder ganz zu entziehen. Die Rechte nach Abs. 1 entfallen, wenn der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil grundlos das Recht des Kindes auf persönlichen Verkehr ablehnt.

Im schulischen Bereich fallen unter die Informationsrechte zB die regelmäßigen Informationen über den Schulerfolg. Es ist zu beachten, dass dieses Recht grundsätzlich nur gegenüber dem obsorgeberechtigten Elternteil besteht. Der geschiedene, nicht obsorgeberechtigte Elternteil hat sich demnach an den obsorgeberechtigten Elternteil zu wenden. Die Schule hingegen ist nicht berechtigt, den nicht (mehr) mit der Obsorge betrauten Elternteil über das Kind in irgendeiner Form zu informieren.

Ausnahme: Bei beharrlicher gröblicher Verletzung der Informationspflicht (durch die/den Obsorgeberechtigte/n) hat das Gericht „angemessene Verfügungen zu treffen“. Diese angemessene Verfügung kann etwa auch darin bestehen, dass der /die nicht Obsorgeberechtigte die Informationen über den schulischen Erfolg seines/ihres Kindes unmittelbar bei der Schule einholen darf. Nur in diesem Fall – also wenn ein diesbezüglicher Gerichtsbeschluss (!) vorgewiesen werden kann – darf (bzw. muss) die Schule Informationen an den nicht obsorgeberechtigten geschiedenen Elternteil (aber auch den unehelichen Vater, welcher nie die Obsorge inne hatte) erteilen.

Von der gesetzlichen Obsorge ist die Vollmacht zu unterscheiden. Eine Vollmacht kann auch dem nicht obsorgeberechtigten Vater/der nicht obsorgeberechtigten Mutter, dem Stiefvater/der Stiefmutter oder dem Lebensgefährten/der Lebensgefährtin der/des Obsorgeberechtigten, welche nicht kraft Gesetzes mit der Obsorge betraut (und damit keine gesetzlichen Vertreter/Vertreterinnen des Kindes) sind, erteilt werden.

Vollmacht bedeutet zwar ein rechtliches Können, aber immer nur im Rahmen des rechtlichen Sollens und Dürfens eines konkreten Auftrages. Sofern daher im Rahmen einer vorgelegten Vollmacht nicht klar ist, wie weit sich der Auftrag des Vollmachtsgebers erstreckt, ist mit Informationen über Schüler und Schülerinnen eher restriktiv umzugehen. Das bedeutet, dass etwa bei Anfragen von bevollmächtigten Lerninstituten oder Nachhilfelehrpersonen grundsätzlich nur Informationen betreffend die Lernsituation, nicht jedoch familiäre oder persönliche Angelegenheiten besprochen werden sollen. Eine allgemein gültige Anleitung, wie mit derartigen Anfragen „Bevollmächtigter“ umzugehen ist, ist angesichts der unterschiedlichsten Fallkonstellationen leider nicht möglich. Bei verantwortungsbewusstem Umgang hat jedoch die auskunftserteilende Lehrperson mangels vorsätzlicher Rechtsverletzung keine Konsequenzen zu befürchten. Die Landesschulräte/der Stadtschulrat für Wien werden ersucht, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Schulen über den Inhalt dieses Rundschreibens in geeigneter Weise in Kenntnis zu setzen.

Wien, 8. August 2005

Für die Bundesministerin:
Mag. Andrea Götz

Zugeordnete/s Sachgebiet/e

Schulrecht