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Richtlinien des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur für den Umgang mit den Rückmeldungen der Bildungsstandardsüberprüfung

36.400/0003-I/Päd.Ang./2012
MR Mag. Renée Langer
I/Päd.Ang.
renee.langer@bmukk.gv.at
T +43 1 53120-4382
F +43 1 53120-814382

Rundschreiben Nr. 6/2012 (BMBWF)

Verteiler: VIII
Sachgebiet: Pädagogische Angelegenheiten
Inhalt: Neue Regelung: Richtlinien für den Umgang mit den Rückmeldungen der Bildungsstandardsüberprüfung durch das BIFIE
Gesetzliche Grundlage: SchUG 17 Abs. 1a; Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur über Bildungsstandards im Schulwesen
Geltung: Ab Schuljahr 2012/13, unbefristet

Grundsätzliches und wichtige Voraussetzungen: Bildungsstandards sind ein Instrument der Qualitätsentwicklung

Im Jahr 2009 wurden in Österreich die Bildungsstandards eingeführt , im Mai 2012 beginnt der Zyklus der Überprüfungen durch das BIFIE, und zwar mit Mathematik auf der 8. Schulstufe, für Dezember 2012 ist die Rückmeldung der Ergebnisse vorgesehen. Die Art und Weise, wie diese Ergebnisse angenommen und interpretiert werden und welche Konsequenzen daraus gezogen werden, entscheidet über den Nutzen, den die einzelnen Schulen und unser Schulwesen daraus ziehen können.

In den vergangenen Jahren hat sich das Verständnis von Lernen und Schule stark gewandelt. Lernen wird als zutiefst persönlicher, aktiver und individueller Prozess erkannt, welcher unter verschiedensten Umständen, mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen, auf eigenen Wegen, mit vielfältigen Ergebnissen stattfindet. Schule wird zunehmend als Ort der Lern- und Entwicklungsbegleitung begriffen, wo sich alle Schülerinnen und Schüler gemäß ihrer Persönlichkeit und ihren Voraussetzungen selbst aktiv und zunehmend eigenständig entfalten können. Vordringliches Ziel ist der Erwerb von Kompetenzen, während die bloße Wiedergabe von Faktenwissen an Bedeutung verloren hat.

Bildungsstandards stellen eine systematische Auswahl grundlegender Kompetenzen dar, die im Unterricht nachhaltig zu entwickeln sind und die für die weitere schulische und berufliche Bildung – auch im Sinne des Lebenslangen Lernens – von zentraler Bedeutung sind. Sie erfüllen drei Funktionen: Orientierungsfunktion, Förderungsfunktion, Evaluationsfunktion.

Die Rückmeldungen der Überprüfungsergebnisse leisten einen Beitrag zu einer systematischen, insgesamt für Schüler und Schülerinnen förderlichen Schul- und Unterrichtsentwicklung. Der Anspruch geht dahin, dass die Ergebnisse der externen Überprüfung von den jeweiligen Adressaten und Adressat/innen (Lehrer/innen, Schulleiter/innen, Schulaufsicht) angenommen und genutzt werden, in der Erwartung, dass sie ein produktiver Beitrag für die Entwicklungsprozesse am jeweiligen Standort sind. Dafür bedarf es einer wertschätzenden Feedback-Kultur, in der Vertrauen und Zutrauen die Basis für ein konstruktives Miteinander bilden.

Regelung: Richtlinien des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur für den Umgang mit den Rückmeldungen der Bildungsstandardsüberprüfung:

1. Eigenverantwortung und dialogische Führung

Unser Schulwesen ist im Begriff, den Wandel von einer Weisungs- zu einer Vereinbarungskultur zu vollziehen. Dies folgt der Erkenntnis, dass Qualitätsentwicklung motivierte, ihre Verantwortung bewusst wahrnehmende Akteurinnen und Akteure braucht. Lehrer/innen, Schulleiter/innen, Schulaufsichtspersonen und Verantwortliche im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur kommen an den Schnittstellen ihrer Verantwortungsbereiche zusammen um zu beraten und Vereinbarungen zu treffen – auf Augenhöhe. Im Sinne einer solchen „dialogischen Führung“ ist es auch die erklärte Absicht, dass die Ergebnisberichte immer nur die Detailergebnisse der jeweils unmittelbar darunterliegenden Organisationsebene beinhalten. Somit bekommt nur die Schulleitung die Ergebnisse der einzelnen Klassen oder Unterrichtsgruppen, nicht jedoch die Schulaufsicht. Bei Bedarf kann sie im Zuge von z.B. Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen mit der Schulleitung allerdings auch näher auf Detailergebnisse eingehen.

2. Die Schule als Ganzes

In den Ergebnisberichten sind keine Darstellungen enthalten, die dazu verleiten eine Rangreihe nach einem plakativen Testwert zu erstellen. Dies geschieht nicht deshalb, um Konkurrenz oder Wettbewerb auszuschließen, sondern damit keine schnellen und oberflächlichen Schlüsse daraus gezogen werden. Um die tatsächlichen Leistungen einer Schule beurteilen zu können, bedarf es eines wesentlich tieferen Blicks auf die jeweiligen Rahmenbedingungen, in die schulinterne Kultur, die konkreten Ansprüche und Zielsetzungen am jeweiligen Schulstandort. Dabei sind alle Qualitätsbereiche einzubeziehen. Die Überprüfung der fachlichen Leistungen in ausgewählten Unterrichtsgegenständen am Ende eines Bildungsgangs bietet die Möglichkeit für eine Reihe von Rückschlüssen, eine umfassende Aussage über die Qualität einer ganzen Schule stellt sie nicht dar.
Auch wenn das Ergebnis einer Schule erfreulich ausgefallen ist, ist es aus Sicht des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur nicht im Sinne einer seriösen Auseinandersetzung mit Schulentwicklung, wenn die Schulleitung oder Mitglieder der Schulpartnerschaftsgremien damit an die Öffentlichkeit gehen. Überprüfungsergebnisse, die letztere im Rahmen ihrer Tätigkeit in Schulforum bzw. Schulgemeinschaftsausschuss erhalten, sind vertraulich zu behandeln.

3. Schulen weiterentwickeln

Für die Schulen besteht die Verpflichtung, sich mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen und nötigenfalls konkrete Qualitätsentwicklungsmaßnahmen zu setzen. Die Verordnung über Bildungsstandards im Schulwesen legt fest, dass Maßnahmen der Qualitätsentwicklung zu dokumentieren und periodisch zu evaluieren sind. Die Initiative SQA („Schulqualität Allgemeinbildung“) sieht dafür zwei konkrete Instrumente vor: Entwicklungspläne sowie Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräche. In den Erläuterungen der Verordnung werden darüber hinaus genannt: Pädagogische Konferenzen, Fachkonferenzen, die Ausarbeitung methodisch-didaktischer Konzepte, Weiterbildungskonzepte für Lehrerinnen und Lehrer, methodisch-didaktischer Erfahrungsaustausch sowie die Bildung von bzw. Teilnahme an Netzwerken.

Die Aufgabe der Schulaufsicht ist es, die für eine bedarfsgerechte Fortbildungsplanung relevanten Landesergebnisse in geeigneter Weise mit den Pädagogischen Hochschulen zu kommunizieren, damit diese die schulische Entwicklungsarbeit unterstützen können.

4. Umfassender Kompetenzbegriff

Manche Lehrer/innen haben auf die herannahende erste Überprüfung und die Unsicherheit, welche Aufgabenstellungen dabei zu lösen sein werden, mit erhöhtem „Stoffdruck“ reagiert. Dies ist in mehrerer Hinsicht eine ungünstige und unerwünschte Entwicklung. Nachhaltiger Kompetenzaufbau bedarf einer ganz anderen Vorgehensweise; außerdem soll jener Teil der Kompetenzen, der im Testdesign überprüfbar ist, kein so großes Gewicht erhalten. Die als fachliche Standards konzipierten Bildungsstandards bilden nur einen Ausschnitt dessen ab, worauf sich Schule und Unterricht ausrichten sollen. Nach wie vor soll genug Raum bleiben für die Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenz, für fachliche Vertiefung und Erweiterung, für eine ganzheitliche Herangehensweise! Darüber hinaus dürfen die Überprüfungsergebnisse auch nicht als Grundlage für die Leistungsbeurteilung von Schülerinnen und Schülern herangezogen werden.

5. Information und Einbeziehung der Schulpartner

Die Rückmeldung an die Schule besteht aus zwei klar getrennten Teilen: dem eigentlichen Schulbericht und einer zusätzlichen Ergänzung als Information für die Schulleitung. Der eigentliche Schulbericht ist von der Schulleitung innerhalb einer angemessenen Frist den Mitgliedern von Schulgemeinschaftsausschuss bzw. Schulforum zu übergeben und in den Gremien zu besprechen.
Die Ergebnisse der einzelnen Unterrichtsgruppen, welche in der Ergänzung zum Schulbericht enthalten sind, sind mit den Lehrern und Lehrerinnen zu besprechen. Sie sind allerdings nicht für eine dienstrechtliche Leistungsbewertung der Lehrerinnen und Lehrer heranzuziehen.
Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass Entwicklungsprozesse vor allem dann angeregt werden, wenn die Ergebnisse von den Erwartungen abweichen. Wichtig ist zu gewährleisten, dass bei abweichenden Ergebnissen keine Abwehrhaltung entwickelt wird, sondern ein konstruktiver Umgang mit den Diskrepanzen stattfindet. Dies ist in erster Linie Aufgabe der Schulleitung.

Es wird ersucht, dieses Rundschreiben allen von der Überprüfung der Bildungsstandards (4. und 8. Schulstufe) betroffenen Schulen und deren Lehrerinnen bzw. Lehrern nachweislich zur Kenntnis zu bringen und seine Umsetzung zu unterstützen.

Wien, 19. April 2012

Die Bundesministerin:
Dr. Claudia Schmied

Zugeordnete/s Sachgebiet/e

Pädagogische Angelegenheiten