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Grundsatzerlass zum Unterrichtsprinzip Verkehrs- und Mobilitätserziehung

BMB-38.520/0071-I/6/2016
Sachbearbeiter/in:
MRinDr.in Sabine Bauer
Abteilung I/6
T +43 1 53120-2551
F +43 1 53120-812551
sabine.bauer@bmb.gv.at

Rundschreiben Nr. 12/2017 (BMBWF)

Verteiler: Landesschulräte/Stadtschulrat für Wien
Direktionen der Zentrallehranstalten
Rektorate der Pädagogischen Hochschulen
Direktionen der Praxisschulen der Pädagogischen Hochschulen
Sachgebiet: Unterrichtsprinzipien
Inhalt: Verkehrserziehung
Geltung: unbefristet

An alle LSR/SSR für Wien

Die Landesschulräte/der Stadtschulrat für Wien, die Rektorate der Pädagogischen Hochschulen und die Direktionen der Zentrallehranstalten werden um geeignete Bekanntgabe und um Umsetzung in ihrem Wirkungsbereich ersucht.

Der Grundsatzerlass soll dazu motivieren, sich in allen Bildungseinrichtungen mit den im Erlass angesprochenen Themen aktiv und kritisch auseinanderzusetzen. Gleichzeitig wird allen Beteiligten für die bisher im Rahmen der Verkehrs- und Mobilitätserziehung geleistete Arbeit gedankt.

Der Erlass wird im Ministerialverordnungsblatt veröffentlicht.

Grundsatzerlass zum Unterrichtsprinzip Verkehrs- und Mobilitätserziehung

Ausgangsdefinition

Die schulische Verkehrserziehung beinhaltet nicht nur die Information über die elementaren Zusammenhänge der Verkehrsregelung und des Verkehrsablaufs, sondern auch die eingehende Beschäftigung mit dem Thema der ständig zunehmenden Mobilität, die in immer höherem Ausmaß Selbstbestimmung und Unabhängigkeit des Menschen bis ins hohe Alter bedeutet. Das Konzept des Unterrichtsprinzips „Verkehrserziehung“ ist daher einem ständigen Wandel unterworfen. Es umfasst neben den Kenntnissen der Verkehrsregeln, Verkehrszeichen und dem allgemeinen Verhalten als Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer auch ein grundlegendes Wissen über das Erkennen von Gefahrenpotenzialen, Verhalten bei Unfällen, Erste-Hilfe-Leistung, umweltschonende Mobilität und die Vorteile der Nutzung des öffentlichen Verkehrs sowie des Zufußgehens und des Radfahrens. Mobilitätserziehung ist auf Grund ihrer Vielschichtigkeit integrierender Bestandteil der Umweltbildung, der Gesundheitserziehung, der Entwicklung sozialer Kompetenzen, insbesondere der Medien- und Leseerziehung und der Inklusion.

Aufgaben und Ziele

Die traditionellen Ziele der Verkehrserziehung werden zunehmend durch gesundheits- und umweltrelevante Faktoren der Mobilität bereichert. Das hat zur Folge, dass der Begriff Verkehrserziehung um den Begriff der Mobilitätserziehung erweitert wird.

Das zentrale Ziel dieser Mobilitätserziehung ist es, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, durch ihre Kenntnisse, Einstellungen und ihr Verhalten die Bedingungen für eine sichere, gesunde, eigenständige sowie sozial- und umweltverträgliche Mobilität zu verbessern und einen Beitrag zu einer zukunftsorientierten Entwicklung unserer Gesellschaft und Umwelt zu leisten. Sie sollen imstande sein, das aktuelle Verkehrssystem hinsichtlich des Raum- und Ressourcenverbrauchs, der Verkehrssicherheit, der ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen kritisch zu hinterfragen.

Schülerinnen und Schüler nehmen mit steigendem Lebensalter immer intensiver und differenzierter am Verkehrsgeschehen teil. Ihre Mobilitätsbedürfnisse und Ansprüche ändern sich dabei maßgeblich. Die schulische Verkehrs- und Mobilitätserziehung hat die Aufgabe, unterstützend und helfend an der aktiven, sozialorientierten, voraussehenden und bewussten Integration der Individuen in den Lebensraum Verkehr mitzuwirken. Dabei sind gleichermaßen die motorischen, kognitiven, affektiven und sozialen Aspekte zu berücksichtigen.

Sie ist Teil einer umfassenden Sicherheitserziehung mit dem Schwerpunkt Verkehrssicherheit und verkehrssicheres Verhalten.

Die schulische Verkehrs- und Mobilitätserziehung hat darüber hinaus die Aufgabe, das komplexe, vernetzte System Verkehr aus allen sich bietenden Blickwinkeln zu beleuchten und zu hinterfragen. Damit verbunden ist eine zu konstruktiver Mitgestaltung bereite, kritische Reflexion des Bereiches Verkehr, also auch dessen, was im Bereich der öffentlichen Institutionen geschieht. Im Rahmen von themenspezifischen Bildungsangeboten besteht die Möglichkeit, an demokratischen Meinungsbildungsprozessen mitzuwirken und auf das Verkehrsumfeld in der eigenen Kommune aktiv einzuwirken.

Die wichtigste Aufgabe der Verkehrs- und Mobilitätserziehung ist es, das Verhalten der Menschen für ein gemeinsames Leben zu beeinflussen. Den Lernenden soll nicht nur neues Wissen vermittelt werden. Ein adäquates Wertebewusstsein, das Wissen um ein sicheres Verkehrsverhalten und Verkehrsumfeld sowie ein nachhaltig kompetenter Umgang mit Mobilität sind anzustreben.

Grundlagen

Verkehrs- und Mobilitätserziehung findet in den Schulen eine schwerpunktorientierte Beachtung in allen Lehrplänen.

In der Primarstufe finden sich die Inhalte als verbindliche Übung vorwiegend im Sachunterricht und in Bewegung und Sport sowie als Unterrichtsprinzip.

Auch an den Neuen Mittelschulen, der AHS Sekundarstufe I und der Polytechnischen Schule ist Verkehrs- und Mobilitätserziehung als Unterrichtsprinzip verankert. Besonders prädestiniert dafür sind die naturwissenschaftlichen Unterrichtsgegenstände, Bewegung und Sport, Lese- und Medienerziehung sowie alle Aktivitäten im Rahmen des sozialen Lernens.

In der Sekundarstufe II, an AHS, Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen und den Berufsschulen ist es von Bedeutung, die bereits erworbenen Kompetenzen zu vertiefen und in allen Gegenständen verkehrs- und mobilitätsrelevante Themen aus dem Blickwinkel der Jugendlichen zu diskutieren und umzusetzen (z. B. Alkohol, Drogen, Ablenkung, Risikomanagement, Erste Hilfe, Klimawandel und Gesundheitsförderung durch bewusstes Mobilitätsverhalten).

Dies kann mit Hilfe von Projekten, mit Unterstützung elektronischer Medien, durch Einbeziehung von (Fach)Expertinnen und Experten in den Unterricht sowie durch vorwissenschaftliche Arbeiten im Zuge der neuen Reifeprüfung geschehen.
So findet ein durchgehendes Konzept von der Grundschule bis zur Reife- und Diplomprüfung seine Umsetzung.

Umsetzung und Kompetenzerwerb

Aufbauend auf den Inhalten der Lehrpläne ist ein kompetenzorientiertes Herangehen an verkehrs- und mobilitätsrelevante Themen gefordert. Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, ihre persönliche Entwicklung und Lebensführung, den Umgang mit anderen innerhalb und außerhalb der Schule und auch mit Umwelt, Natur und Technik zu erproben und zu gestalten.

Folgende Auflistung dient als Orientierungshilfe für die individuelle Umsetzung:

Auflistung Umsetzung und Kompetenzerwerb
Kompetenzdimensionen Verkehrs- und mobilitätsbezogene Kompetenzen
Wissen aufbauen, reflektieren, weitergeben
(be-)nennen, aufzählen, zuordnen, beschreiben, darstellen, vergleichen, erklären elementare Kenntnisse zu Vorschriften und Verkehrszeichen nennen; über Personen der Verkehrsüberwachung Bescheid wissen; Gefahrenpotenziale (er-)kennen und benennen, Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs nennen; Vorteile aktiver Mobilitätsarten kennen und benennen.
beschaffen, kommunizieren, präsentieren Informationen über elementare Vorschriften, Verkehrszeichen und über den öffentlichen Verkehr sowie den Radverkehr beschaffen; Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes fächerübergreifend bearbeiten.
analysieren, kategorisieren, unterscheiden, schlussfolgern, Vermutungen aufstellen, Zusammenhänge herstellen sich als Verkehrsteilnehmerin oder Verkehrsteilnehmer in verschiedenen Rollen wahrnehmen; Zusammenhänge zwischen Verkehrsregeln und Verkehrsablauf erkennen; Zusammenhänge zwischen Umwelt, Gesundheit und Verkehr herstellen und in Beziehung zum eigenen Verhalten setzen.
beurteilen, begründen, interpretieren Verkehrssituationen einschätzen; eigene Grenzen und Risikobereitschaft beurteilen; eigenes Mobilitätsverhalten reflektieren und verkehrssicheres Verhalten anstreben.
Haltungen entwickeln
Haltungen entwickeln Empathie gegenüber schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern zeigen; Gefahren der Selbstüberschätzung und ablenkender Tätigkeiten erkennen; Umwelt- und gesundheitsfreundliche Aspekte aneignen; vorbildhaftes Verhalten im Verkehr zeigen.
Werthaltungen haben Verantwortung für sich und andere im Verkehr erkennen und umsetzen können; Akzeptanz gegenüber Regeln und Normen zeigen; umweltschützende und soziale Werthaltungen einnehmen.
bewerten,
entscheiden, umsetzen
bewerten das eigene Verhalten im Verkehr kritisch bewerten und Konsequenzen für das eigene Verhalten in Wechselwirkung mit der Gesellschaft und der Umwelt ableiten.
Handlungs-, Verhaltensabsichten ausbilden;
Handlungsentscheidungen treffen
individuelle Verkehrswege (z. B. den selbstständig zurückgelegten Schulweg) im lokalen Umfeld sicher, eigenständig und umweltbewusst nutzen; Kooperation mit Personen der Verkehrsüberwachung anstreben; adäquate Verkehrseinrichtungen nutzen; in Verkehrs-, Not- und Konfliktsituationen kompetent handeln.
Handlungen planen, ausführen, reflektieren, aufrechterhalten Handlungen zu Verkehr und Mobilität planen, ausführen, reflektieren, aufrechterhalten; Mobilitätskompetenz (Zufußgehen, Radfahren, Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) aufbauen und vertiefen.

Unterrichtsformen

In der Grundstufe beginnt die schulische Verkehrs- und Mobilitätserziehung mit der verbindlichen Übung vorwiegend im Sachunterricht im Ausmaß von 10 Stunden pro Jahr.
Der Unterricht wird durch die Mitarbeit der Exekutive in der Umsetzung des Standardprogramms (Standardprogramm für den schulischen Einsatz der Exekutive) und der in der 4. Schulstufe folgenden „Freiwilligen Radfahrprüfung“ ergänzt.

Darüber hinaus gibt es Übungen im Schonraum und in der Verkehrswirklichkeit sowie Aktionen zur Verkehrssicherheit.

Da in der Sekundarstufe I und darüber hinaus die Verkehrs- und Mobilitätserziehung nicht im Fächerkanon verankert ist, soll die Behandlung relevanter Themen im Rahmen des Unterrichtsprinzips in allen Fächern geschehen.

Als förderlich dafür haben sich Formate wie Projektunterricht, interdisziplinäre und klassenübergreifende Zusammenarbeit, Herstellung von Wirklichkeitsbezügen, soziales Lernen und Peer-Teaching sowie die Teilnahme an verkehrserziehlichen Schwerpunkten, Verkehrssicherheitstage, Exkursionen, Aktionen des Bundesministeriums für Bildung und der Partnerorganisationen herausgestellt.

Kooperationspartner

Sicherheit von Kindern und Jugendlichen ist ein gesellschaftspolitisch relevantes Anliegen.
Deshalb erfährt die Verkehrs- und Mobilitätserziehung durch eine Vielzahl von außerschulischen Kooperationspartnern Unterstützung.
Sie bieten altersadäquate Aktionen und unterstützen mit Unterrichtsbehelfen und Medien:

  • Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) www.auva/schule
  • Bundesministerium für Inneres - Exekutive (BMI)
  • Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT)
  • Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW)
  • Österreichisches Jugendrotkreuz (ÖJRK)
  • KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit)
  • Blaulichtorganisationen
  • ÖAMTC
  • ARBÖ
  • ÖBB
  • Klimabündnis Österreich
  • Radlobby Österreich
  • Verkehrsunternehmen (regional, national)
  • Forschungsgesellschaft Mobilität (FGM)
  • Bezirkshauptmannschaften und Gemeinden

Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Öffentlichkeitsarbeit

Um die erworbenen Erfahrungen nachhaltig nutzbar zu machen, sind qualitätssichernde Maßnahmen, Dokumentationen und Reflexion notwendig. Es wird empfohlen, Unterrichtsprojekte zu dokumentieren und diese erfolgreich erprobten Best Practice-Beispiele der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. (www.netzwerk-verkehrserziehung.at).

Jede gelungene Präsentation ist ein Erfolgserlebnis für die Beteiligten, fördert die Akzeptanz und das Interesse für weitere Vorhaben, stärkt das berufliche Selbstbewusstsein der Lehrerinnen und Lehrer und die Motivation der Schülerinnen und Schüler. Öffentlichkeitsarbeit soll auch der Vernetzung der Aktivitäten unterschiedlicher schulischer und außerschulischer Initiativen und dem Informations- und Erfahrungsaustausch dienen.

Kontaktadressen und Internet

Aktuelle Informationen zu Aktionen und Unterlagen finden Sie auf:

Kontakte

Zusätzlich zur Ansprechperson im Bundesministerium für Bildung in der zuständigen Fachabteilung gibt es in jedem Bundesland vom Landesschulrat bzw. dem Stadtschulrat für Wien nominierte Verkehrs- und Mobilitätserziehungsreferentinnen und -referenten (Adressen siehe in obigen Websites).

Wien, 6. April 2017

Die Bundesministerin:
Dr.in Sonja Hammerschmid

Zugeordnete/s Sachgebiet/e

Unterrichtsprinzipien