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Ausser Kraft getreten

Umsetzung § 43 SchUG ("Kopftuchverbot")

Mit Aufhebung des § 43a des Schulunterrichtsgesetzes gemäß BGBl. I Nr. 159/2020 außer Kraft getreten

BMBWF-12.940/0006-II/3/2019
BMBWF - II/3 (Schulrechtslegistik)
Mag. Oliver Henhapel
Sachbearbeiter

T +43 1 53120-2325
Minoritenplatz 5
1010 Wien

Rundschreiben Nr. 17/2019 (BMBWF)

Verteiler: Rundschreiben-Verteiler Abteilung II/4
Pädagogische Hochschulen samt Praxisschulen
Sachgebiet: Schulrecht
Inhalt: Durchführungsbestimmungen zu § 43a SchUG („Kopftuchverbot“)
Geltung: unbefristet
Rechtsgrundlagen: Art. 14 Abs. 5a B-VG; § 43a Schulunterrichtsgesetz
angesprochener Personenkreis: Schulleiter, Bildungsdirektionen, Zentrallehranstalten

Die Regelung des § 43a SchUG lautet

„§ 43a. (1) Um die bestmögliche Entwicklung und Entfaltung aller Schülerinnen und Schüler sicherzustellen, ist diesen bis zum Ende des Schuljahres, in welchem sie das 10. Lebensjahr vollenden, das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist, untersagt. Dies dient der sozialen Integration von Kindern gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten, der Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele der Bundesverfassung sowie der Gleichstellung von Mann und Frau.

(2) Bei Verstoß gegen das Verbot gemäß Abs. 1 hat die Schulleiterin bzw. der Schulleiter unverzüglich die jeweils zuständige Bildungsdirektion zu verständigen. Diese hat die Erziehungsberechtigten unverzüglich, jedenfalls innerhalb von 4 Schultagen, zu einem verpflichtenden Gespräch zu laden. In dem Gespräch sind die Gründe für den Verstoß zu erörtern. Zur Vermeidung weiterer Verstöße sind die Erziehungsberechtigten über ihre Verantwortung aufzuklären; dies ist schriftlich festzuhalten und der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter zur Kenntnis zu bringen.

(3) Findet nach dem Gespräch ein weiterer Verstoß gegen das Verbot gemäß Abs. 1 statt, oder kommen die Erziehungsberechtigten der verpflichtenden Ladung nach nochmaliger Aufforderung nicht nach, so stellt dieser eine Verwaltungsübertretung durch die Erziehungsberechtigten dar und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 440 €, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen.“

Zu den einzelnen Begriffen und Elementen ist Folgendes auszuführen:

1) Allgemein:

1.1) UN-Kinderrechtskonvention

Die Bestimmung beruht auf einer Grundrechtsabwägung. Ziel ist der Schutz der Rechte des einzelnen Kindes in Umsetzung der Übereinkunft über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention). Art. 28 und 29 der UN-Kinderrechtskonvention garantieren die Rechte auf Bildung und Entfaltung der Persönlichkeit.

1.2) Werte, Ziele und Aufgaben der österreichischen Schule:

Die Kinderrechtskonvention findet in der österreichischen Bundesverfassung ihre Entsprechung in Art. 14 Abs. 5a B-VG und ihre einfachgesetzliche Umsetzung in § 2 SchOG. Als wesentliche Grundwerte von Bildungseinrichtungen sind in der Bundesverfassung (Art. 14 Abs. 5a B-VG) Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen festgeschrieben. Ziel der Erziehung in österreichischen Bildungseinrichtungen ist es, Kindern die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen und diese zu selbständigem Urteilen zu befähigen. Dies umfasst auch das Ziel einer sozialen Entwicklung und Integration der Schülerinnen und Schüler und deren Heranbildung zu arbeitstüchtigen und pflichttreuen Mitgliedern der österreichischen Gesellschaft.

2) zu einzelnen Elementen:

2.1) Geltungsbereich:

Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung ist sehr klar und eindeutig. Die Bestimmung ist auf alle Kinder anzuwenden, die am Beginn des Schuljahres das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unabhängig davon, in welcher Schule sie unterrichtet werden. Dem Vollzug sind dabei die Stammdaten des Kindes zugrunde zu legen.

2.2) „weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung“

Die Regelung stellt darauf ab, wie eine Bekleidung von einem objektiven Betrachter wahrgenommen wird. Es kommt dabei nicht auf die persönliche Absicht des Trägers an. Entscheidend ist, wie diese von Dritten rezipiert wird. Im Fall von Verstößen ist daher eine individuelle Begründung der Trägerin oder der Eltern unerheblich. Es kommt ausschließlich auf die Erfüllung des Tatbestandes der „Verhüllung des Hauptes“ an.

2.3) „Verhüllung des Hauptes“:

Der Unterrichtsausschuss des Nationalrates hat sich mit der Frage, was unter diesem Begriff zu verstehen ist, intensiv beschäftigt und in seinem Bericht an den Nationalrat festgestellt, dass darunter „jede Art von Bekleidung verstanden (wird), die das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllt. Daher fallen beispielsweise die jüdische Kippa und auch die Patka, die von Sikhs in diesem Alter getragen wird, nicht unter diese Regelung.“

Eine vollständige Verhüllung des Kopfes liegt jedenfalls dann vor, wenn der Kopf so verhüllt wird, dass das Haupthaar nicht mehr zu sehen ist. Auch wenn einzelne Haarsträhnen oder der Haaransatz noch zu sehen sind, ist von einer vollständigen Verhüllung auszugehen.
Im Gegensatz dazu liegt keine vollständige Verhüllung vor, wenn die Haare vom Ansatz weg deutlich zu erkennen und in der Länge von zumindest einer Handbreite zu sehen sind, unabhängig davon ob es sich um die Stirnpartie oder den Nacken handelt, sowie Kinn und Hals im Ausmaß eines Rollkragenpullovers frei sind.

Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass andere Verhüllungen des Hauptes, z. B. Verbände aus medizinischen Gründen oder Kopfbedeckungen aus Witterungsgründen, z. B. bei Schulveranstaltungen, nicht von dieser Regelung umfasst sind.

3) Abläufe und Umsetzung in der Praxis

3.1) Feststellung des Verstoßes und Meldung durch die Schulleitung

Jede Lehrkraft einer Schule hat bei der Feststellung eines Verstoßes unverzüglich die Schulleitung zu verständigen. Da in der Vergangenheit die Unterlassung von gesetzlich verpflichtenden Meldungen in Einzelfällen zu strafrechtlichen Verurteilungen wegen Amtsmissbrauchs geführt hat, ist aus Gründen der Vorsicht im Zweifelsfall jedenfalls eine Meldung an die Schulleitung bzw. von dieser an die Bildungsdirektion zu erstatten.
Die Schulleitung hat unverzüglich, d. h. ohne Verzögerung, also jedenfalls am gleichen Tag, die Bildungsdirektion unter Mitteilung der wesentlichen Daten des Verstoßes, zu verständigen. Die wesentlichen Daten sind insbesondere

a) Name, Anschrift und Geburtsdatum der Schülerin bzw. des Schülers,
b) Name, Anschrift und soweit vorhanden Telefonnummer und E-Mail Adresse der Eltern
c) Beschreibung des Verstoßes unter Angabe von Ort und Uhrzeit der Feststellung des Verstoßes
d) Bekanntgabe von Zeugen des Verstoßes und deren Daten, wobei bei Lehrkräften als Adresse die Schuladresse anzuführen ist.

3.2) Vorgangsweise durch den Präsidialbereich der Bildungsdirektion

3.2.1) Ladung

Die Eltern sind unverzüglich für einen der auf den Tag des Verstoßes folgenden vier Schultage zu laden. Die Ladung kann auch fernmündlich oder durch elektronische Zustellung mit Zustellnachweis erfolgen. Im Falle einer telefonischen Ladung ist diese durch einen Aktenvermerk zu dokumentieren.

3.2.2) Gespräch und Protokollierung

Beim Gespräch sind die Erziehungsberechtigten über das Verbot und ihre Verantwortung für dessen Einhaltung aufzuklären. Über das Gespräch ist ein Protokoll anzufertigen, in welches

a) die Rechtsbelehrung über das Verbot,
b) die im Falle eines Verstoßes daraus erwachsenden Konsequenzen, insbesondere der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und
c) eine Verpflichtungserklärung der Erziehungsberechtigten für die Einhaltung des
§ 43a SchUG zu sorgen
aufzunehmen sind.

Das Protokoll ist von den Erziehungsberechtigten und dem Leiter der Amtshandlung zu unterfertigen. Dem Erziehungsberechtigten ist auf Verlangen eine Kopie auszuhändigen.
Eine Abschrift des Protokolls ist an die Schulleitung zu übermitteln. Dem BMBWF sind bei Bedarf alle Unterlagen sowie eine Gesamtauswertung der Fälle unverzüglich zu senden.

3.2.3) Anzeige einer Verwaltungsübertretung an die zuständige Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung

Wenn entweder

a) der Ladung nicht Folge geleistet wird,
b) die Unterfertigung des Protokolls verweigert wird oder
c) nach der Belehrung ein neuerlicher Verstoß erfolgt,

hat die Bildungsdirektion eine Anzeige an die zuständige Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung, die Bezirksverwaltungsbehörde bzw. den mit deren Aufgaben betrauten Magistrat, zu erstatten.

Eine Abschrift der Anzeige ist an die Schulleitung zu übermitteln. Dem BMBWF sind bei Bedarf alle Unterlagen sowie eine Gesamtauswertung der Fälle unverzüglich zu senden.

4) Verdacht auf strafbare Handlungen

Aufgrund der Bestimmung des § 78 StPO sind eine Behörde und ihre Organe bei Bekannt werden eines Verdachtes auf strafbare Handlungen, verpflichtet den Sachverhalt an Polizei oder Staatsanwaltschaft zu melden. Im Zusammenhang mit Verfahren aufgrund § 43a SchUG sind solche Meldungen an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften zu übermitteln (z. B. bei gefährlichen Drohungen, Missbrauchsverdacht usw.).

Wien, 28. August 2019

Für die Bundesministerin:
SektChefin Mag.a Margareta Scheuringer

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Rundschreiben Nr. 17/2019

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