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Ausser Kraft getreten

Grundsatzerlass zum Projektunterricht Wiederverlautbarung der aktualisierten Fassung

Außer Kraft getreten und ersetzt durch Rundschreiben: 2017-32 ; BMB-10.077/0001-I/5/2017 ; Grundsatzerlass zum Projektunterricht. Wiederverlautbarung - aktualisierte Fassung

Geschäftszahl: 10.077/5-I/4a/2001
Sachbearbeiterin: MR Mag. Doris KÖLBL-TSCHULIK
Tel.: (+43)1/53120-4791
Fax: (+43)1/53120-4780
doris.koelbl-tschulik@bmukk.gv.at

Rundschreiben Nr. 44/2001 (BMBWF)

Verteiler: Landesschulräte (SSR für Wien)
Direktionen der Zentrallehranstalten
Direktionen der Pädagogischen und Berufspädagogischen Akademien
Sachgebiet: Pädagogische Angelegenheiten
Inhalt: Projektunterricht: Definition, Merkmale, Zielsetzungen, rechtliche Grundlagen;
Anleitung zur praktischen Durchführung
Geltung: unbefristet

Grundsatzerlass zum Projektunterricht

Die Entwicklung der Gesellschaft stellt auch an die Schule ständig neue Anforderungen. Mit wachsender Komplexität werden künftige Erfordernisse der Bildungsarbeit immer weniger vorhersehbar.

Dieser Tatsache wird auch bei der Neugestaltung von Lehrplänen Rechnung getragen: es gelten veränderte bzw. reduzierte zentrale Vorgaben und mehr Autonomie am Standort. Die Schule muss zunehmend durch entsprechende Unterrichtsmethoden die Entwicklung und Förderung von dynamischen Fähigkeiten und unterschiedlichen Begabungen ermöglichen. Denn nur informierte, kompetente und motivierte Menschen werden den gesellschaftlichen Veränderungen weltoffen und entwicklungsbereit gegenüberstehen.

Daraus ergeben sich insbesondere die folgenden didaktischen Leitlinien.

Didaktische Leitlinien

* Differenzierung nach den individuellen Möglichkeiten, Ansprüchen und Bedürfnissen der Lernenden innerhalb der Lerngruppe

* Erkenntnisgewinn und Bewusstmachung von Zusammenhängen und Strukturen anhand von Beispielen (exemplarisches Lernen)

* Vermittlung der Fähigkeit selbstständig zu lernen und mit Wissen umzugehen (Lernen lernen, Anwenden lernen, Vermitteln lernen)

* Verbindung von theoretisch-begrifflichem Lernen und Lernen durch konkretes Handeln und Experimentieren

Die durchgängige Verwirklichung dieser didaktischen Leitlinien im gesamten Unterrichtsgeschehen sowie die Nutzung entsprechender schulischer Rahmenbedingungen bilden die Voraussetzung für die sinnvolle Integration von Projekten in den Unterricht.

Allgemeine Zielsetzungen

Vorrangige Ziele des Projektunterrichts sind:

* Selbstständiges Lernen und Handeln

* Eigene Fähigkeiten und Bedürfnisse erkennen und weiterentwickeln

* Handlungsbereitschaft entwickeln und Verantwortung übernehmen

* Ein weltoffenes, gesellschaftlich-historisches Problembewusstsein ausbilden

* Herausforderungen und Problemlagen erkennen, strukturieren und kreative Lösungsstrategien entwickeln

* Kommunikative und kooperative Kompetenzen sowie Konfliktkultur entwickeln

* Organisatorische Zusammenhänge begreifen und gestalten

Merkmale von Projektunterricht

Projektunterricht entspricht den allgemeinen Bildungsanliegen der Schule. Die Projektmethode versteht sich als ein Weg zur Erreichung der Bildungsziele. Die angewandten Methoden des Unterrichts bzw. Lernens und die Formen der Unterrichtsorganisation sollen einander konstruktiv ergänzen, bilden jedoch fallweise auch einen sinnvollen methodischen Kontrast zueinander. Dies gibt dem Schüler / der Schülerin die Gelegenheit zu erkennen, welche Eigenart oder Möglichkeiten der Problemlösung die verschiedenen Methoden bzw. Betrachtungs- und Verfahrensweisen jeweils beinhalten.

Projektunterricht wird als Zusammenwirken möglichst vieler nachstehender Merkmale verstanden:

* Orientierung an den Interessen der Beteiligten

Für die Auswahl des Projektthemas sind die Interessen der Schüler/innen und Lehrer/innen von entscheidender Bedeutung. Die Themenwahl hängt dabei nicht nur vom Inhalt, sondern auch von den vorgesehenen Handlungsformen ab. In vielen Fällen kann sogar die Form der Aktivität (z.B. Herstellen eines Films) Priorität bei der Entscheidung haben und der behandelte Inhalt erst im Laufe der Arbeit „interessant“ werden.

* Selbstorganisation und Selbstverantwortung

Die Ziele des Projekts, Art und Methode des Lernens wie auch die Kriterien der Beurteilung werden gemeinsam festgelegt. Lehrer/innen und Schüler/innen besorgen sich alle notwendigen Informationen und leiten daraus die entsprechende Planung ab. Das Erlernen von Planungsstrategien, der Umgang mit Ressourcen und das Finden von Möglichkeiten, erarbeitetes Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten anderen weiterzugeben, ebenso wie die konstruktiv-kritische Einschätzung der eigenen und der Leistung anderer, sind explizite Lerninhalte und Lernziele.

* Zielgerichtete Planung

Für eine sinnvolle Projektdurchführung ist eine gemeinsame Festlegung von Lern- und Handlungszielen unabdingbar. In gleicher Weise müssen auch die Art der geplanten Tätigkeiten, die Arbeitsformen, in denen gearbeitet werden soll, die zur Verfügung stehende Zeit und die verschiedenen Verantwortlichkeiten besprochen, geplant und vereinbart werden.

* Interdisziplinarität

Im Mittelpunkt von Projektunterricht steht ein Thema, ein Problem, zu dessen Bearbeitung bzw. Lösung die entsprechenden Fachdisziplinen herangezogen werden sollen. Projektunterricht soll mithelfen, „vernetztes Denken“ und ganzheitliche Betrachtungsweisen zu erlernen. Die Aneignung dieser Fähigkeiten wird durch unterschiedliche Problemsichten und interdisziplinäres Herangehen an ein Thema gefördert, kann jedoch auch in einem einzelnen Unterrichtsgegenstand stattfinden.

* Erwerb sozialer Kompetenzen

Durch die gemeinsame Arbeit an einem Thema oder auch durch das Vorhaben, gemeinsam ein bestimmtes Ziel zu erreichen, entsteht die Notwendigkeit, neue Kommunikationsformen zu erproben, um miteinander und voneinander lernen zu können. Kommunikation und Kooperation, Konfliktlösungsstrategien, Koordination zwischen Gruppen, Umgang mit Kritik, Beurteilung und Kontrolle etc. werden dadurch zu Lernfeldern. Soziale und sachliche Ziele stehen gleichberechtigt nebeneinander.

* Wirkung nach außen

Projektunterricht versucht innerschulische und außerschulische Realitäten zu beeinflussen. Schülerinnen und Schüler beteiligen sich aktiv an der Gestaltung des gesellschaftlichen Umfelds.

* Rolle der Lehrer/innen

Die Aufgaben des Lehrers / der Lehrerin liegen neben der fachlichen Kompetenz verstärkt in der Hilfestellung bei der Strukturierung von Planungs- und Entscheidungsprozessen und der dazu notwendigen didaktischen und organisatorischen Bedingungen, bei der Vermittlung arbeitsmethodischer Kompetenzen sowie der Bewusstmachung gruppendynamischer Prozesse und der Unterstützung von Reflexionsprozessen.

* Einbeziehung vieler Sinne

Die sinnvolle Verbindung von körperlicher und geistiger Arbeit, von Erkenntnisgewinn und Anwendung im praktischen Handeln sowie die Einbeziehung möglichst vieler Sinne stellen eine wichtige Qualität von Projektunterricht dar.

Zentrale Phasen von Projektunterricht

* Projektidee / Themenfindung

Wichtig ist, dass das Interesse aller Beteiligten geweckt werden kann und genügend Zeit zur Verfügung steht, damit sich Lehrer/innen und Schüler/innen gemeinsam auf ein Thema, das sie bearbeiten, oder auf ein Problem, das sie lösen wollen, einigen können.

* Zielformulierung und Planung

Durch die Formulierung von Zielen werden auch die unterschiedlichen Interessen sichtbar, können Unterthemen diskutiert und ein anzustrebendes Ergebnis festgelegt werden. Die vorhandenen Rahmenbedingungen und Ressourcen müssen analysiert werden und in der Planung Berücksichtigung finden, die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Teilbereiche müssen festgelegt werden.

* Vorbereitungszeit

Diese Zeit dient der umfassenden Informationsbeschaffung, der Besorgung notwendiger Arbeitsmaterialien, der Planung von Exkursionen, Diskussionen mit Fachleuten, Filmvorführungen u.ä. Im Zuge dieser Vorbereitungsarbeiten können sich organisatorische oder inhaltliche Änderungen am Projektplan als notwendig erweisen.

* Projektdurchführung

In diesem Abschnitt wird die inhaltliche Hauptarbeit geleistet. Die geplanten Vorhaben werden von den Schüler/innen in unterschiedlichen Sozialformen möglichst selbstständig durchgeführt, die Lehrer/innen stehen dabei als koordinierende Berater/innen und Expert/innen und als „Konfliktmanager/innen“ zur Verfügung. Während dieser Zeit ist es besonders wichtig, in (kurzen) Reflexionsphasen („Fixpunkten“) Erfahrungen und Zwischenergebnisse auszutauschen, aufgetretene Probleme zu besprechen, koordinierende Maßnahmen zu setzen und den Verlauf des Projekts und die emotionale Befindlichkeit der Projektmitarbeiter/innen zu überprüfen.

* Projektpräsentation / Projektdokumentation

Projektunterricht ist durch einen klar erkennbaren Abschluss gekennzeichnet. Dabei haben alle Beteiligten die Gelegenheit, ihre Arbeitsergebnisse einander vorzustellen und wenn möglich einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Entscheidend für die Wahl des Projektabschlusses muss sein, dass die Schüler/innen durch die Präsentation Anerkennung und Kritik ihrer Arbeit erfahren und dass die Ergebnisse des Projekts kommunizierbar werden. Die Dokumentation ist Teil des Projekts und eine wesentliche Grundlage für Präsentation, Öffentlichkeitsarbeit, Reflexion und Evaluation. Sie sollte daher Informationen über alle wichtigen Ergebnisse, Stadien des Arbeitsprozesses und Erfahrungen der Projektmitarbeiter/ innen liefern.

* Projektevaluation

Die Evaluation dient der Überprüfung der Projektergebnisse und der Weiterentwicklung der Qualität künftiger Projekte. Grundlage für die Zielformulierungen in der Planungsphase sind die Fragestellungen: Was wollen wir zu welchem Zweck und mit welchen Mitteln erreichen?

Prozessbegleitend und am Ende des Projekts werden diese Ziele auf Basis der gesammelten Daten hinsichtlich ihrer Erreichung bzw. Umsetzung systematisch bewertet.

In den Phasen der Projektreflexion werden die Erfahrungen der Beteiligten und die laufenden Prozesse besprochen. Die Projektreflexion ist ein unabdingbares Element der Evaluation. Sie erfolgt grundsätzlich durch die Akteur/innen selbst; um die Gefahr „blinder Flecken“ in der eigenen Wahrnehmung zu vermeiden, ist es jedoch in manchen Bereichen der Evaluation unerlässlich, auch eine Außensicht einzubeziehen („kritische Freund/innen“, Projektpartner/innen).

Rechtliche Grundlagen und Bestimmungen

Alle nachfolgenden rechtlichen Grundlagen zur Unterrichtsführung sind im Rahmen der praktischen Handlungsanleitung zum Projekterlass („Tipps zur Umsetzung“) mit Zitaten von Gesetzestexten und Erlässen belegt.

Unterrichtsarbeit

Projektunterricht steht in Übereinstimmung mit den gesetzlich festgelegten Aufgaben der österreichischen Schule und der Unterrichtsarbeit.

* Schulunterrichtsgesetz

§17 (1) des SchUG schreibt unter anderem fest, dass der Lehrer / die Lehrerin den Lehrstoff des jeweiligen Unterrichtsgegenstandes anschaulich und gegenwartsbezogen entsprechend dem Stand der Wissenschaft zu vermitteln hat. Weiters hat die Lehrperson unter Berücksichtigung der Entwicklung der Schüler/innen und durch geeignete Methoden eine gemeinsame Bildungswirkung aller Unterrichtsgegenstände anzustreben. Dabei sind die Schüler/innen zur Selbsttätigkeit und zur Mitarbeit in der Gemeinschaft anzuleiten.

* Lehrplanverordnung

Projektunterricht ist verankert in

  • den allgemeinen Bildungszielen,
  • den allgemeinen und fachbezogenen didaktischen Grundsätzen,
  • den Lehrplanbestimmungen der einzelnen Unterrichtsgegenstände, )
  • den Unterrichtsprinzipien

Die Zielsetzungen der Unterrichtsprinzipien sind am besten durch das Zusammenwirken vieler oder aller Unterrichtsgegenstände zu bewältigen. Für die konkrete Umsetzung bietet sich u.a. Projektunterricht besonders an. Zum Teil sind die Unterrichtsprinzipien durch Grundsatzerlässe geregelt.

Organisatorische Maßnahmen

Um den Zielsetzungen von Projektunterricht gerecht zu werden, kann eine vorübergehende Veränderung der üblichen schulischen Organisationsformen notwendig werden. Dazu gehören insbesondere die für die Dauer des Projekts erforderliche Veränderung des Stundenplans (§10 SchUG), die Aufhebung des Klassenverbandes, die Mitwirkung außerschulischer Personen und die Verlegung des Unterrichtes an einen Ort außerhalb der Schule. Letztere berührt nicht das in der Schulveranstaltungenverordnung vorgesehene Kontingent an Schulveranstaltungen.

Projektwochen (§13 SchUG) und schulbezogene Veranstaltungen (§13a SchUG) können ebenfalls den Projektunterricht ergänzen bzw. auf ihm aufbauen. Die geplanten organisatorischen Belange des Unterrichtsprojekts sind mit der Schulleitung abzustimmen.

Darüber hinaus ist es zweckmäßig, bereits in der Planungsphase neben der Information der Lehrerkolleg/innen und der Schulleitung auch die Zusammenarbeit mit den Eltern (Schulgemeinschaftsausschuss, Elternverein, Klassenforum, Schulforum) und gegebenenfalls mit den Lehrberechtigten (für den Bereich der Berufsschulen) zu suchen.

Aufsichtspflicht

Die Aufsichtspflicht des Lehrers / der Lehrerin wird im Erlass des BMUK, ZI. 10.361/115-III/4/96 (MVBl. Nr. 109/1997) zusammenfassend und teilweise kommentierend dargestellt. Bei einer Verlegung des Projektunterrichts an einen Ort außerhalb der Schule finden die in obzitiertem Erlass aufgenommenen Grundsätze Anwendung (siehe Stichwortverzeichnis ? „Aufsichtspflicht“). Unter Beachtung der Aufsichtspflicht (welche unter Umständen ab der 9. Schulstufe entfallen kann) und des Prinzips der Selbsttätigkeit der Schüler/innen ist dafür zu sorgen, dass

* die Schüler/innen zur Projektdurchführung innerhalb eines bestimmten räumlich abgegrenzten Bereichs und innerhalb eines genau festgesetzten Zeitraumes selbsttätig arbeiten,

* die Schüler/innen vor etwaigen besonderen Gefahren gewarnt wurden,

* die aufsichtsführenden Personen von den Schüler/innen jederzeit erreicht werden können (Festlegung eines Treffpunktes),

* bei der Festlegung des räumlich abgegrenzten Bereichs und des festgesetzten Zeitraumes auf die körperliche und geistige Reife der Schüler/innen und mögliche Gefahren zu achten ist,

* die Schüler/innen im Zuge des selbsttätigen Handelns in der Regel nicht einzeln, sondern zumindest paarweise agieren.

Bei Gewährleistung der Sicherheit für die Schüler/innen und wenn dies für die Aufgaben der Schule zweckmäßig erscheint, kann die Beaufsichtigung der Schüler/innen auch durch andere geeignete Personen (z.B. Erziehungsberechtigte) als durch die Lehrperson erfolgen (§44a SchUG).

Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung

Leistungen (§3 und §4 der Leistungsbeurteilungsverordnung), die Schüler/innen im Rahmen des Projektunterrichtes erbringen, haben in die Beurteilung einzufließen. Im Projektunterricht sind dieser ganzheitlichen Lernmethode adäquate Formen der Leistungsbeurteilung (siehe Stichwortverzeichnis ? „Leistungsfeststellung“) anzustreben. Dies ist notwendig, weil Projektunterricht auf einer Umgestaltung der Arbeitskooperation zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen sowie auf der Ganzheitlichkeit von Lern- und Unterrichtsprozessen und auf themenbezogenem Arbeiten über Fächergrenzen hinaus basiert.

Download: Webseite des BMBWK www.bmbwk.gv.at - Bereich Bildung und Schulen

Wien, 30. Juli 2001

Die Bundesministerin:
GEHRER

F.d.R.d.A.:

Zugeordnete/s Sachgebiet/e

Pädagogische Angelegenheiten