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Grundsatzerlass "Erste Hilfe in österreichischen Schulen"

BMB-38.560/0006-I/6/2016
Sachbearbeiter/in:
MR Mag. Manfred Wirtitsch
Abteilung I/6
T +43 1 53120-2540
F +43 1 53120-812540
manfred.wirtitsch@bmb.gv.at

Rundschreiben Nr. 22/2016 (BMBWF)

Verteiler: Landesschulräte/Stadtschulrat für Wien, Pädagogische Hochschulen
Sachgebiet: Pädagogische Angelegenheiten
Inhalt: Erste Hilfe
Geltung: unbefristet

Erste Hilfe in österreichischen Schulen

Jeder Mensch kann einmal in die Situation kommen, Erste Hilfe zu benötigen, und ist dann darauf angewiesen, dass ErsthelferInnen zur Stelle sind. Je mehr Menschen wissen, wie sie auch als medizinische Laien mit einfachen Maßnahmen wertvolle und sogar lebensrettende Hilfe leisten können, desto größer wird die Chance, dass bei einem Notfall rasch und kompetent gehandelt wird. Unter Erster Hilfe versteht man neben Unfallverhütung, das heißt allen Maßnahmen, die vor weiteren Schäden schützen, alle durchzuführenden Maßnahmen bis zum Eintreffen professioneller Hilfe (Rettungsdienst, Notarzt, Arzt), um bedrohende Gefahren oder Gesundheitsstörungen abzuwenden, zu mildern oder menschliches Leben zu retten. Um letztlich diese professionelle Hilfe zu ermöglichen bedarf es des korrekten Absetzens eines Notrufes mit möglichst genauer Ortsangabe, der Absicherung der Unfallstelle, Rettung aus der Gefahrenzone und die Betreuung der Verletzten.

Schule ist ein ganz besonderer Ort: Schule ist Arbeitsplatz, Lernumgebung, Raum für Sport und Bewegung oder Pausengestaltung sowie mitunter genutztes Angebot für örtliche Sport- oder Kulturaktivitäten.

Auch in den Schulen können Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen, Verwaltungspersonal oder auch Eltern sowie schulfremde Personen in die Situation kommen, Erste Hilfe anwenden zu müssen oder zu benötigen.

Als ein gemeinsames Anliegen des Bundesministeriums für Bildung und von Hilfsorganisationen wird eine möglichst hohe Qualität für Erste-Hilfe-Leistungen sowohl in der Schule, bei Schulveranstaltungen oder schulbezogenen Veranstaltungen als auch in der Freizeit angestrebt. Damit wird auch Richtlinien und Initiativen der WHO und anderer internationaler Organisationen entsprochen.

Dazu empfiehlt das Bundesministerium für Bildung dringend die Umsetzung folgender Maßnahmen:

1. Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen

Um fachgerecht Erste Hilfe leisten zu können, müssen ErsthelferInnen die Grundbegriffe von Basismaßnahmen und lebensrettenden Sofortmaßnahmen beherrschen und diese in Theorie und Praxis regelmäßig wiederholt üben. Nur dann ist es zu einem hohen Grad gewährleistet, dass diese Kompetenzen auch in Stresssituationen automatisiert angewendet und erfolgreich Maßnahmen gesetzt werden können.

Das BMB empfiehlt für alle im Dienst stehenden Lehrpersonen und das Verwaltungs-personal zusätzlich zum Grundkurs (16 Stunden) regelmäßige Auffrischungskurse
(mind. 8 Stunden) der Erste-Hilfe-Kenntnisse. Besonders gilt dies für Lehrerinnen und Lehrer für „Bewegung und Sport“, deren Grundkurs bzw. Auffrischungskurs in Erster Hilfe nicht länger als vier Jahre zurückliegen sollte. Für Lehrkräfte, die mit Schülerinnen und Schülern Lehrausgänge zum Schwimmunterricht vornehmen, sei auf die besonderen Erfordernisse des Rettungsschwimmens hingewiesen.

Das BMB weist darauf hin, dass aus diesen genannten Gründen im Rahmen der Aus- und Fortbildung der PädagogInnen entsprechende Angebote einzurichten und zu nutzen wären, um sowohl die Anzahl der ausgebildeten ErsthelferInnen zu erhöhen als auch den Kenntnisstand aktuell zu halten.

Dazu darf angeregt werden, diese Angebote in Kooperation mit dem Österreichischen Jugendrotkreuz (www.jugendrotkreuz.at) und dessen SchulreferentInnen, der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) oder Hilfsorganisationen (Österreichisches Rotes Kreuz; Arbeiter-Samariter-Bund, u.a.m.), zu realisieren. Weiters darf auf die Onlineressource www.erstehilfefit.at verwiesen werden.

Das BMB unterstützt insbesondere auch das Anliegen, die Erste-Hilfe-Ausbildungen von Lehrpersonen und/oder SchülerInnen durch schuleigene, in Zusammenarbeit mit den genannten Organisationen ausgebildete Lehrbeauftragte (Lehrkräfte und Schulärztinnen/-ärzte) zu verstärken.

Darüber hinaus darf darauf hingewiesen werden, dass es gemäß § 26 B-BSG i.d.g.F. (vgl. dazu auch BMUKK RS 9/2005, GZ 466/21-III/9/2004), bzw. § 111 ff LDG i.d.g.F. Erste Hilfe-Beauftragte gibt. Den Schulleitungen obliegt damit auch eine besondere Verantwortung.

2. Planmäßiges Verhalten bei Notfällen

Die Rettungskette nach dem Eintritt eines (lebensbedrohlichen) Notfalles funktioniert nur durch richtige Maßnahmen: Neben dem richtigen Erkennen und Bewerten einer Notfallsituation und der entsprechenden Ersten Hilfe ist die möglichst rasche Aktivierung des Rettungsdienstes ausschlaggebend.

Das BMB regt dazu abermals an, an jeder Schule einen Notfallplan unter Anpassung an die örtlichen Voraussetzungen vorzusehen.

Dieser Notfallplan sollte unter Einbeziehung der Schulpartner und der Schulärztinnen/Schulärzte erstellt, allen Personen zur Kenntnis gebracht und regelmäßig erprobt werden. Zur Gestaltung derartiger Notfallpläne leisten etwa die vom Österreichischen Jugendrotkreuz gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung, den Schulärztinnen und Schulärzten und der AUVA erstellten Vorschläge wertvolle Hinweise:

www.erstehilfefit.at > Status erheben > Downloads bzw. mit dem Direktlink
http://www.erstehilfefit.at/fileadmin/ehfit/Download/EHF_Notfall_Alarmplan.pdf

Empfehlenswert ist dabei die Berücksichtigung von und Abstimmung mit Kriseninterventions-plänen im Zusammenhang mit psychologischen Kriseninterventionen bzw. Krisenmanagement bei psychisch belastenden/traumatisierenden Ereignissen, die sich aus oder in Zusammenhang mit medizinischen Notfallsituationen ergeben können.

Erste-Hilfe-Anleitungen und/oder Erste-Hilfe-Trainings, die über Internet oder als Smartphone-App abgerufen werden können, stellen zwar die grundsätzlichen Handlungsabläufe dar und mögen durchaus hilfreich sein, können eine seriöse Erste-Hilfe-Ausbildung jedoch nicht ersetzen!

3. Erste-Hilfe-Kenntnisse für SchülerInnen

Schülerinnen und Schüler sollen im Laufe ihrer Schulzeit Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, die ihrer eigenen Sicherheit dienen und sie überdies befähigen sollen, anderen zu helfen. Die Kinder und Jugendlichen sind dabei zu unterstützen, ihrem Alter entsprechend Eigeninitiative zu entwickeln, Hilfsbereitschaft zu zeigen und Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen zu übernehmen.

Alle SchülerInnen sollten daher im Laufe ihrer Schulzeit zumindest einen Grundkurs
(16 Stunden) zur Ersten Hilfe absolvieren.

Erste Hilfe und Unfallverhütung sind in den österreichischen Lehrplänen gut verankert: im Sachunterricht der Primarstufe, sowie in den Sekundarstufen I und II in den Gegenständen Biologie und Umweltkunde, Chemie, Bewegung und Sport, Gesundheitslehre, im Unterrichts-prinzip Gesundheitserziehung oder im Rahmen der Verkehrserziehung bei der Vorbereitung der Kinder zur Radfahrprüfung und als künftige Verkehrsteilnehmer. Die Gestaltung des Unterrichtes innerhalb der Lehrplanautonomie, als fächerübergreifender oder fächerverbindender Unterricht oder als Durchführung eines Projektes (Erste-Hilfe-Tag; Sicherheitstag; Jugendrotkreuz-Tag; u.a.m.) bietet zahlreiche geeignete Möglichkeiten der Umsetzung.

Solche Projekttage sind auch gegen Ende des Schuljahres in Erwägung zu ziehen; um den Erste-Hilfe-Organisationen jedoch Planung bzw. Ressourcenabklärung zu ermöglichen, wird empfohlen, mit in Frage kommenden Personen (z.B. Schulreferentinnen und –referenten des Jugendrotkreuzes) oder Organisationen (Österreichisches Rotes Kreuz, Arbeiter Samariter-Bund, etc.) frühzeitig in Kontakt zu treten und Vereinbarungen zu treffen.

Schwerpunkte der Vermittlung sollen sich an den wahrscheinlichsten für die Kinder und Jugendlichen entstehenden Hilfssituationen orientieren und das altersadäquate praktische Üben und Wiederholen - Rettung aus dem Gefahrenbereich, (Wund-)-Erstversorgung, lebensrettende Sofortmaßnahmen, Rettungskette - sowie Kleingruppenarbeit beinhalten, z.B. durch das Umsetzen des „Helfi-Programms“ in der Volksschule oder ähnlicher Aktivitäten in den Sekundarstufen I und II (www.jugendrotkreuz.at/erstehilfe). Ähnliche Angebote und Lehrgänge gibt es auch von anderen Erste-Hilfe- und Unfallorganisationen.

Reanimation

Internationalen Studien zufolge sind Kinder bzw. Jugendliche erst ab der 7./8. Schulstufe auch körperlich in der Lage, selbst erste Reanimationsleistungen zu erbringen. Der besondere Aspekt der Reanimation stellt allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Ersten Hilfe dar. Im Rahmen der Vermittlung von Erste-Hilfe-Kompetenzen ist altersgerecht und dem geistigen und körperlichen Entwicklungsstand der Kinder bzw. Jugendlichen entsprechend an dieses Thema heranzugehen, um in der Folge eine größtmögliche Akzeptanz und Bereitschaft für die künftige Anwendung von Reanimation zu erzielen. International empfohlen wird eine entsprechende Ausbildung bzw. Schulung ab der 7./8. Schulstufe. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Kenntnisse, wie man im Falle von festgestellten Herz-Kreislauf-Stillständen eine Herzdruckmassage durchführt und einen für Laien geeigneten Defibrillator („Defi“) rasch und richtig zur Anwendung bringt.

Besonders engagierte Schülerinnen und Schüler können bei Erste-Hilfe-Wettbewerben auf Schul-, Bezirks-, Landes- oder Bundesebene ihre Kenntnisse und Fertigkeiten spielerisch und kompetitiv einbringen.

An dieser Stelle wird die Möglichkeit ausdrücklich hervorgehoben, im Bundesschulbereich gemäß § 128a Abs. 4 SCHOG für Zwecke, die im Interesse der Schule gelegen sind, also auch für Schulungsmaßnahmen zur Ersten Hilfe, Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung zu stellen.

4. Erste-Hilfe-Ausstattung

Die Erste-Hilfe-Ausstattung einer Schule („Erste-Hilfe-Material und Verbandkästen“) liegt im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Schulerhalters.

Verbandkästen sollten in Bereichen wie Sekretariat, Konferenzzimmer, Küche, Lehrmittelzimmer und Labors, Turnsaal, Werkstätten und Mehrzweckbereichen sowie im übrigen Gebäude und den dazugehörigen Außenanlagen innerhalb von maximal drei Minuten erreichbar sein. Eine regelmäßige Kontrolle der Verbandkästen (Erste-Hilfe-Material) auf Vollständigkeit und Verfallsdatum sollte mindestens ein bis zwei Mal jährlich erfolgen und die entsprechenden Ergänzungen nach Entnahmen durchgeführt werden (s. dazu ÖNORM Z 1020 in der aktuellen Fassung vom 1. Dezember 2006 zu Verbandkästen – Typen, Anforderung und Inhalt).

Die Verfügbarkeit von Defibrillatoren in Schulen ist generell anzustreben, insbesondere jedoch dann, wenn die Turn- und Sporteinrichtungen der Schule für schulfremde Zwecke vermietet werden.

Hinweis: Es besteht die Möglichkeit, Erste-Hilfe-Material und Verbandkästen über die Bundesbeschaffungs GmbH (www.bbg.gv.at) zu beziehen.

Erste-Hilfe-Material, das wegen Überschreiten des Verfalldatums zu ersetzen ist, kann für Schulungsmaßnahmen und Erste-Hilfe-Kurse durchaus als Übungsmaterial verwendet werden. Es empfiehlt sich daher, das ersetzte Material für solche Zwecke zu sammeln und zu kennzeichnen. Auch abgelaufenes Material aus Hausapotheken oder Kfz-Verbandkästen, das z.B. im Rahmen der Vorbereitung eines Projekttages von Schülerinnen und Schülern gesammelt wird und in ausreichender Menge verfügbar ist, erleichtert die Übungsphasen bei der Vermittlung von Erster Hilfe ganz entscheidend.

Die Landesschulräte/der Stadtschulrat für Wien werden ersucht, die empfohlenen Maßnahmen zu verfolgen und die Schulen bei der Umsetzung zu unterstützen.

Die Pädagogischen Hochschulen werden ersucht, das Rundschreiben ihren Aus- und Fortbildungsinstituten zur Kenntnis zu bringen und den vorgeschlagenen Maßnahmen Rechnung zu tragen.

Das Rundschreiben BMUKK RS 7/2008, GZ 36.369/12-I/5a/2008, wird hiermit ersetzt und außer Kraft gesetzt.

Wien, 29. September 2016

Die Bundesministerin:
Dr.in Sonja Hammerschmid

Zugeordnete/s Sachgebiet/e

Pädagogische Angelegenheiten