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Rechtliche Angelegenheiten - Zusammenarbeit zwischen Schulen und der Kinder- und Jugendhilfe bzw. der Familien- und Jugendgerichtshilfe

131.01/0040-allg/2021

BD Tirol / Abt. Präs/3 - Recht
Dr. Natascha Rohracher, BA
Sachbearbeiterin
office@bildung-tirol.gv.at
+43 512 9012-9173
Heiliggeiststraße 7, 6020 Innsbruck

Rundschreiben Nr. 03-2021 (BD T)

Titel: Zusammenarbeit zwischen Schulen und der Kinder- und Jugendhilfe bzw. der Familien- und Jugendgerichtshilfe
Rundschreiben Nr.: 03-2021
Sachgebiet: Schulrecht, sonstige Rechtsangelegenheiten
Verteilerkreis: alle Tiroler Schulen
Personenkreis: Direktor/innen, Lehrpersonen, Verwaltungspersonal
Geltung: unbefristet
Ort und Zeitpunkt der Genehmigung: Innsbruck, 08.11.2021
Veröffentlichende Stelle: Bildungsdirektion Tirol

Da es im Zusammenhang mit Fällen von Kindeswohlgefährdungen immer wieder zu Unklarheiten bzw. Fragen gekommen ist, möchten wir Ihnen mit diesem Schreiben eine Handlungsanleitung zur Hand geben. Gleichzeitig dürfen wir Sie darüber informieren, wie sich Schulen verhalten sollen, wenn die Familien- und Jugendgerichtshilfe Auskünfte und Informationen von den Schulen anfordert.

1. Mitteilung bei Verdacht der Kindeswohlgefährdung

Ergibt sich für die Schule der begründete Verdacht, dass Kinder oder Jugendliche misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind oder ihr Wohl in anderer Weise erheblich gefährdet ist, und kann diese konkrete erhebliche Gefährdung eines bestimmten Kindes oder Jugendlichen anders nicht verhindert werden, ist von der Schule unverzüglich schriftlich Mitteilung an den örtlich zuständigen Kinder und Jugendhilfeträger zu erstatten. Auch wenn die Erziehungsberechtigten ihre Pflichten offenbar nicht erfüllen oder in wichtigen Fragen uneinig sind, hat die Schulleitung dies dem zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger mitzuteilen.

Die Mitteilung über den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung hat an die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft bzw. den Stadtmagistrat Innsbruck zu erfolgen. Das Land Tirol stellt hierfür ein eigenes Formular zur Verfügung, welches Ihnen anbei übermittelt wird. Die Meldung an den Stadtmagistrat Innsbruck kann über ein Online Formular auf der Website der Stadt Innsbruck2 erfolgen.

Ein begründeter Verdacht liegt vor, wenn über die bloße Vermutung hinausgehende, konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung einer Schülerin bzw. eines Schülers vorliegen.
Diese Anhaltspunkte ergeben sich aus den von den Lehrpersonen bzw. der Schulleitung wahrgenommenen Tatsachen (z.B. im Verhalten der Schülerin bzw. des Schülers oder aus Gesprächen mit der Schülerin bzw. dem Schüler) und den Schlüssen, die Sie aufgrund Ihres fachlichen Wissens und Ihrer Berufserfahrung daraus ziehen. Sollten Sie im Einzelfall Zweifel bzw. Fragen haben, können Sie sich von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft bzw. dem Stadtmagistrat Innsbruck auch im Vorfeld beraten lassen.

Im Falle des Tätigwerdens des Kinder- und Jugendhilfeträgers ist die Schule dazu verpflichtet, die erforderlichen Auskünfte über die betroffene Schülerin bzw. den betroffenen Schüler zu erteilen sowie notwendige Dokumente vorzulegen, sofern dies von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe verlangt wird.

In diesem Zusammenhang wird festgehalten, dass für Lehrpersonen und Schulleitungen keine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe besteht. Für allenfalls nachfolgende Zeugenaussagen bei der Polizei oder im Rahmen von Gerichtsverhandlungen ist jedoch eine Entbindung von der Amtsverschwiegenheit erforderlich. Bitte wenden Sie sich in diesen Fällen an die zuständige Personalabteilung der Bildungsdirektion (Abteilung Präs/4 Personal Pflichtschulen oder Abteilung Präs/5 Personal Bundesschulen).

2. Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe bei Gefahr im Verzug

Wenn das Wohl eines Kindes durch das Verhalten der Erziehungsberechtigten gröblich gefährdet ist und der Kinder- und Jugendhilfeträger wegen Gefahr im Verzug mit den weiteren Maßnahmen nicht zuwarten kann, bis eine gerichtliche Entscheidung vorliegt, kann er die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig selbst treffen.

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1 Auch online abrufbar unter https://www.tirol.gv.at/gesellschaft-soziales/kinder-jugendhilfe/meldung-auf-verdachteiner-
kindeswohlgefaehrdung/.
2 https://www.innsbruck.gv.at/page.cfm?vpath=leben--soziales/familie--elternschaft/kinderschutz--kindeswohl.

In diesem Fall kann es sein, dass die Bediensteten direkt in die Schule kommen, um mit dem betroffenen Kind zu sprechen oder dieses – ohne Wissen der Eltern – abzuholen.

Derartige Maßnahmen dienen dem Schutz des Kindes und dürfen von der Kinder- und Jugendhilfe gesetzt werden. Um die Situation für die Schülerin bzw. den Schüler nicht weiter zu erschweren, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen der Schule und der Kinder und Jugendhilfe dabei besonders wichtig. Damit die Schule aber auch ihrer gesetzlichen Aufsichtspflicht nachkommt, ist jedenfalls unmittelbar vor der Setzung dieser Maßnahmen durch die Kinder- und Jugendhilfe von der einschreitenden Person die Vorlage eines Dienstausweises zu verlangen. Wir empfehlen den Schulleitungen darüber hinaus, den genauen Ablauf des Einschreitens durch die Kinder- und Jugendhilfe zu dokumentieren und den Namen sowie die Kontaktdaten der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters der Kinder- und Jugendhilfe für allfällige Nachfragen zu notieren.

3. Einholung von Informationen durch die Familien- und Jugendgerichtshilfe

In gerichtlichen Obsorgeverfahren wird das zuständige Gericht häufig von der Familiengerichtshilfe unterstützt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Familiengerichtshilfe haben die Aufgabe, die Entscheidungsgrundlagen zu sammeln, eine gütliche Einigung anzubahnen und die Parteien im Verfahren zu informieren. Bei Strafverfahren gegen Jugendliche werden die Staatsanwaltschaft und das Gericht zudem oft von der Jugendgerichtshilfe unterstützt.

Sowohl die Familiengerichtshilfe als auch die Jugendgerichtshilfe sind dabei berechtigt, Personen, die über die Lebensumstände einer Schülerin bzw. eines Schülers Auskünfte erteilen könnten, zu laden und zu befragen, sowie unmittelbaren Kontakt mit dem Kind bzw. der oder dem Jugendlichen herzustellen. Auch Schulen haben dabei den bei der Familien- bzw. Jugendgerichtshilfe tätigen Personen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in die Akten und Aufzeichnungen zu gewähren.

Sollten sich Bedienstete der Familien- und Jugendgerichtshilfe an die Schule wenden und mit einer Schülerin bzw. einem Schüler direkt sprechen wollen oder von der Lehrperson bzw. der Schulleitung Auskünfte verlangen, so ist diesem Ersuchen aufgrund der genannten Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nachzukommen. Auch gegenüber der Familien- und Jugendgerichtshilfe besteht keine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit. Mit dem Leiter der Familien- und Jugendgerichtshilfe des Oberlandesgerichtssprengels Innsbruck wurde vereinbart, dass die Familien- und Jugendgerichtshilfe in solchen Fällen vorab ein schriftliches Auskunftsersuchen an die Schulleitung richtet, in dem die wesentlichsten Informationen enthalten sind. In der Beilage erhalten Sie den Vordruck dieses Formulars samt einer dazugehörigen Information der Familien- und Jugendgerichtshilfe.

Das Rundschreiben Nr. 10/2013 vom 4. Oktober 2013 wird hiermit aufgehoben.

Innsbruck, 08. November 2021
Der Bildungsdirektor:
Dr. Paul Gappmaier

Zugeordnete/s Sachgebiet/e

Schulrecht, Sonstige Rechtsangelegenheiten