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Unzulässigkeit parteipolitischer Werbung an Schulen; Besuche von Politikerinnen und Politikern – Neuverlautbarung

2024-0.067.403
BMBWF - II/4 (Schulrechtsvollzug)
Mag.a Mag.a Ulrike Schuschnig
Sachbearbeiterin

+43 1 531 20-2307
Minoritenplatz 5, 1010 Wien

Rundschreiben Nr. 17/2024 (BMBWF)

Titel: Unzulässigkeit parteipolitischer Werbung an Schulen; Besuche von Politikerinnen und Politikern – Neuverlautbarung
Rundschreiben Nr.: 17/2024
Sachgebiet: Schulrecht
Verteilerkreis: alle österreichischen Schulen
Personenkreis: Direktorinnen und Direktoren sowie Pädagoginnen und Pädagogen
Geltung: unbefristet
Rechtsgrundlage: §§ 17, 46 Abs. 3 SchUG, § 2 SchOG
Kernaussagen/Ziele: Das Werben für parteipolitische Zwecke an Schulen ist unzulässig.
Die Schulen werden über die Voraussetzungen, unter denen der Besuch von Politikerinnen und Politikern an Schulen zulässig ist, informiert.
Ort der Veröffentlichung: Rundschreibendatenbank des BMBWF
Veröffentlichende Stelle: BMBWF

1. Einleitende Bemerkungen

Zu den Aufgaben der österreichischen Schule zählt es gemäß § 2 des Schulorganisationsgesetzes (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962 in der geltenden Fassung 1 unter anderem, die Schülerinnen und Schüler zu selbständigem Urteil heranzuführen und darauf hinzuwirken, dass sie eine aufgeschlossene Haltung gegenüber dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer Menschen entwickeln.

Um dies zu erreichen, ist es unabdingbar, den Schülerinnen und Schülern ein ihrem jeweiligen Alter und Entwicklungsstand entsprechendes politisches Grundlagenwissen zu vermitteln. 2 Dabei ist jedenfalls darauf zu achten, dass nicht unreflektiert parteipolitische Interessen in der Schule Platz greifen. Vielmehr ist sachlich, objektiv und pluralistisch über Politik, durchaus auch über Parteipolitik, zu informieren.

Die diesbezügliche rechtliche Schranke ist festgelegt, indem in der Schule, bei Schulveranstaltungen und bei schulbezogenen Veranstaltungen für schulfremde Zwecke nur dann geworben werden darf, wenn die Erfüllung der Aufgaben der österreichischen Schule dadurch nicht beeinträchtigt wird (siehe dazu § 46 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG); BGBl. Nr. 476/1986 in der geltenden Fassung).

Spannungsfelder zwischen der Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule und dem Verbot der Werbung für schulfremde Zwecke ergeben sich in der Praxis insbesondere bei den folgenden Themen:

  • Besuche von Politikerinnen und Politikern in der Schule
  • Verteilung von politischem Werbematerial
  • Schulraumüberlassung für politische Zwecke

Über die Zulässigkeit entscheidet jeweils die Schulleitung. Dabei gilt es, die aus den Aufgaben der österreichischen Schule abgeleiteten Ziele gegenüber der Unzulässigkeit einseitiger politischer Werbung abzuwägen, was jeweils im Einzelfall zu beurteilen ist.

Im Folgenden werden dazu Erwägungen und Hilfestellungen für die Praxis dargestellt.

2. Besuche von Politikerinnen und Politikern in der Schule

Dem unmittelbaren Kontakt mit Personen des politischen Lebens kommt im Rahmen sowohl des Unterrichtsprinzips als auch des übergreifenden Themas „Politische Bildung" eine besondere Rolle zu. Amtsträgerinnen und Amtsträger, die auch Mitglieder einer politischen Partei sind, werden als Personen des öffentlichen Lebens selbst bei Auftritten mit nicht politischen Inhalten in der Regel als parteizugehörig wahrgenommen. Schülerinnen und Schüler können diese beiden Eigenschaften, unabhängig vom konkreten Grund des Besuches, vielfach nur schwer voneinander trennen.

Grundsätzlich sollten deshalb gerade in Vorwahlzeiten die schulpartnerschaftlichen Gremien in die Planung und Organisation von entsprechend parteipolitisch wahrnehmbaren Veranstaltungen einbezogen werden (siehe dazu die §§ 63a Abs. 2 Z 2, 64 Abs. 2 Z 2 SchUG).

Auf jeden Fall wird eine Information der Erziehungsberechtigten im Vorfeld empfohlen. Bitte beachten Sie auch die datenschutzrechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit Fotos und das daraus abgeleitete Zustimmungserfordernis aller Beteiligten.

Wenn Unklarheit darüber besteht, ob ein geplanter Besuch einer Politikerin oder eines Politikers bzw. mehrerer Politikerinnen und Politiker an der Schule stattfinden kann oder ob die Gefahr besteht, dass es zu einer einseitigen Beeinflussung oder gar Vereinnahmung der Schülerinnen und Schüler kommt, ist die Bildungsdirektion zu befassen.

2.1 Einbeziehung von Politikerinnen und Politikern als außerschulische Expertinnen und Experten in den Unterricht

Vor dem Hintergrund des einleitend Ausgeführten wäre es lebensfremd, die Schule als „politikfreien Raum“ zu betrachten. Im Sinne einer anschaulichen und gegenwartsbezogenen Unterrichtsgestaltung, wie sie § 17 Abs. 1 SchUG vorsieht, können auch Politikerinnen und Politiker in öffentlichen Funktionen bei geeigneten Anlässen nach entsprechender Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler in den Unterricht miteinbezogen werden.

Sofern Lehrkräfte im Rahmen ihrer eigenständigen und eigenverantwortlichen Gestaltung des Unterrichts im Sinne des § 17 SchUG eine Einbeziehung von außerschulischen Expertinnen und Experten in den Unterricht in Erwägung ziehen, ist weiterhin auf die Einhaltung der Regelungen betreffend die Unterrichtsarbeit der Lehrkräfte zu achten.

Dies bedeutet, dass die Lehrkraft für die Zeit der Anwesenheit der außerschulischen Expertin bzw. des außerschulischen Experten nicht ihrer Hauptaufgabe, nämlich der Unterrichts- und Erziehungsarbeit, entbunden ist. Die Unterrichtserteilung sowie die damit einhergehende erforderliche Vor- und Nachbereitung des Unterrichts obliegt daher weiterhin ausschließlich der Lehrkraft. Außerschulische Expertinnen und Experten werden in den Unterricht (mit)einbezogen; die Unterrichtserteilung kann jedoch nicht gänzlich an diese delegiert werden. Dies setzt auch die Anwesenheit der unterrichtenden Lehrkraft und damit einhergehend die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht über die gesamte Zeit hinweg voraus.

Jedem Besuch von Politikerinnen und Politikern sind deshalb entsprechende Vorüberlegungen unter Berücksichtigung des Rundschreibens Nr. 12/2015 zugrunde zu legen, durch welches insbesondere die Einhaltung des Beutelsbacher Konsenses (Schülerinnen- bzw. Schülerorientierung, Kontroversitätsgebot und Überwältigungsverbot) gewährleistet wird:

  • Schülerinnen- bzw. Schülerorientierung: auf die inhaltlichen Interessen der Schülerinnen und Schüler ist ausreichend einzugehen;
  • Kontroversitätsgebot: Inhalte, Zugänge, Interessen, Meinungen und Ansichten, die in Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert werden, sind auch im Unterricht in ihrer Kontroversität abzubilden. Bei Diskussionsveranstaltungen ist dies beispielsweise durch die Einladung von Personen unterschiedlicher Parteien bzw. wahlwerbenden Gruppierungen zu Podiumsdiskussionen oder Diskussionsreihen und durch eine anschließende Auseinandersetzung im Unterricht gegeben.
  • Überwältigungsverbot: damit soll gewährleistet werden, dass weder Lehrkräfte noch außerschulische Expertinnen bzw. Experten durch ihre besondere Position die Schülerinnen und Schüler mit ihren Sichtweisen und Meinungen überwältigen. Den Schülerinnen und Schülern muss daher immer die Möglichkeit eingeräumt werden, sich von politischen Meinungen und Haltungen distanzieren zu können und eine von Lehrpersonen oder Expertinnen bzw. Experten unterschiedliche Sicht- und Handlungsweise zu entwickeln.

Durch die Einbeziehung der außerschulischen Expertinnen und Experten aus der Politik sollen politische Sachverhalte praxisbezogen, objektiv und sachlich, jedoch dem Kontroversitätsgebot folgend, behandelt werden.

Es liegt in der Verantwortung der Lehrkraft, darauf zu achten, dass von den konkreten Personen keinerlei unzulässige Werbewirkung für eine politische Partei oder eine parteipolitische Vereinnahmung der Schülerinnen und Schüler ausgeht.

Die Teilnahme von Politikerinnen und Politikern am Unterricht soll klar der praxisbezogenen Information und der damit verbundenen kritischen Reflexion und Erarbeitung von politischen Kompetenzen (Sach-, Methoden-, Urteils- und Handlungskompetenz) der Schülerinnen und Schüler dienen.

Beispiele für die Einbeziehung von Politikerinnen und Politikern als außerschulische Expertinnen und Experten im Unterricht:

  • Eine Abgeordnete zum Nationalrat informiert im Rahmen des Unterrichtsgegenstandes „Geschichte und Politische Bildung“ über das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren.
  • Ein Mitglied des Europäischen Parlaments gibt Einblick in die Arbeit der Institutionen der Europäischen Union.

Anlässlich der Auswahl der Politikerinnen und Politiker, die als außerschulische Expertinnen und Experten in den Unterricht einbezogen werden sollen, ist deshalb stets auch auf eine entsprechende Ausgewogenheit zu achten.

Beispiele:

  • Werden, so zum Beispiel in zeitlichem Zusammenhang zu einer Wahl, zu einer Podiumsdiskussion nur Vertreterinnen und Vertreter einer oder einzelner ausgewählter Parteien eingeladen, so widerspricht dies dem Prinzip der Ausgewogenheit. Gleiches gilt für Einzelauftritt von wahlwerbenden bzw. kandidierenden Personen.
  • Podiumsdiskussionen oder in enger Zeitfolge stattfindende Einzelbesuche, zu denen allen politischen Parteien die Gelegenheit einer Teilnahme gegeben wird, stehen hingegen im Einklang mit dem Prinzip der Ausgewogenheit.

Auch bei der Einbeziehung von Politikerinnen und Politikern zu Themenstellungen, die nicht parteipolitischer Natur sind, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch diese Personen als Angehörige einer politischen Partei wahrgenommen werden können. Dies sollte mit den Schülerinnen und Schülern im Rahmen der Vorbereitung im Sinne der Transparenz entsprechend thematisiert werden.

2.2 Einbeziehung von außerschulischen Expertinnen und Experten im Rahmen von Schulveranstaltungen oder schulbezogenen Veranstaltungen

Das vorstehend Ausgeführte gilt sinngemäß auch für Schulveranstaltungen gemäß § 13 SchUG, die der Ergänzung des lehrplanmäßigen Unterrichts dienen, sowie für schulbezogene Veranstaltungen gemäß § 13a SchUG, die auf einem lehrplanmäßigen Unterricht aufbauen.

Beispiel für die Einbeziehung von Politikerinnen und Politikern als außerschulische Expertinnen und Experten im Rahmen einer Schulveranstaltung:

  • Der Nationalratspräsident als außerschulischer Experte informiert im Rahmen einer Schulveranstaltung über Themen wie Gesetzgebungsprozess, Parlamentarismus und dgl. mehr.

Die Entscheidung über die Durchführung sowie den Inhalt von Schulveranstaltungen obliegt im Falle von eintägigen Schulveranstaltungen der Schulleitung bzw. einer von ihr bestimmten Lehrkraft, im Falle von mehrtägigen Schulveranstaltungen dem Klassen- oder Schulforum bzw. dem Schulgemeinschaftsausschuss. Die Erklärung einer Veranstaltung zur schulbezogenen Veranstaltung liegt ebenfalls in der Zuständigkeit der schulpartnerschaftlichen Gremien.

3. Verteilung von politischem Werbematerial

Die Verteilung bzw. die Zurverfügungstellung von politischem Werbematerial, also von Geschenken, Broschüren, Flyern und dgl. mehr, an Schulen ist rechtlich nicht zulässig. Dieses Verbot bezieht sich auf die gesamte Schulliegenschaft.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unzulässige Werbung im Sinne des § 46 Abs. 3 SchUG auch nicht mit „Zustimmung“ der Schulbehörden erlaubt ist.

4. Schulraumüberlassung für politische Zwecke

§ 128a SchOG ermächtigt die Leitungen von Schulen oder Schülerheimen, die vom Bund erhalten werden, Teile der Schul- bzw. der Heimliegenschaft samt Inventar für nichtschulische Zwecke an Dritte zu überlassen, sofern dadurch die Erfüllung der Aufgaben der österreichischen Schule gemäß § 2 SchOG nicht beeinträchtigt wird. Hierfür ist ein mindestens angemessenes Entgelt einzuheben.
Außerschulische Veranstaltungen können auch während der Unterrichtszeit stattfinden, solange der Schulbetrieb durch Art, Umfang oder Zeitpunkt der schulfremden Nutzung nicht gestört wird. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf zu achten, dass von einer solchen Veranstaltung keinerlei (politische) Werbewirkung, die Auswirkungen auf den schulischen Kontext hat, ausgeht.

Das Rundschreiben mit der Nummer 13/2008 tritt hiermit außer Kraft.

Wien, 26. April 2024

Für den Bundesminister:
SektChefin Mag.a Margareta Scheuringer


1 Für die höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten sowie für die Forstfachschule des Bundes ist § 2 Abs. 1 des Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetzes, BGBl. Nr. 175/1966 in der geltenden Fassung, einschlägig.

2 Auf das Rundschreiben mit der Nummer 12/2015 – „Unterrichtsprinzip Politische Bildung, Grundsatzerlass 2015“- darf hingewiesen werden.

Zugeordnete/s Sachgebiet/e

Schulrecht