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Initiative „25+“: Individualisierung des Unterrichts Persönlichkeit und Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellen

Geschäftszahl: BMUKK-20.200/0011-I/3b/2007
SachbearbeiterIn: Mag. Edwin Radnitzky
Abteilung: I/3b
E-mail: edwin.radnitzky@bmukk.gv.at
Telefon/Fax: +43(1)/53120-4705/53120-81 4705

Rundschreiben Nr. 9/2007 (BMBWF)

An alle Landesschulräte (Stadtschulrat für Wien)
An alle Zentrallehranstalten

Die im Schuljahr 2007/2008 beginnende Senkung der Klassenschülerhöchstzahl wird in den kommenden vier Jahren die 1. – 4. Klassen der Volksschulen (1. – 4. Schulstufe), die 1. – 4. Klassen der Hauptschulen und Allgemeinbildenden Höheren Schulen (5. – 8. Schulstufe), die Polytechnischen Schulen (9. Schulstufe) sowie einige Sektoren der AHS – Oberstufe (9. – 12. Schulstufe) erfassen.

Kleinere Klassen schaffen günstigere Voraussetzungen für ein Mehr an Zuwendung für die einzelne Schülerin bzw. den einzelnen Schüler, führen aber nicht automatisch zu einer Verbesserung der Unterrichtsqualität.

Mit der Initiative „25+“ zur Individualisierung des Unterrichts setzt das BM:UKK daher einen neuerlichen Impuls zur gemeinsamen Weiterentwicklung der Unterrichtspraxis an österreichischen Schulen. Wir wollen damit ein Prinzip unterstreichen, das in den geltenden Lehrplänen bereits verankert ist und zuletzt in den Rundschreiben 1/2005 (Frühwarnsystem und Frühinformationssystem) und 11/2005 (Besser fördern: Schülerinnen und Schüler individuell fördern und fordern) seinen Ausdruck gefunden hat. Wurden im Rundschreiben 11/2005 alle Dimensionen von Förderung angesprochen (also auch kompensatorisches Fördern sowie explizite Begabungs- und Begabtenförderung), so beziehen wir uns mit der aktuellen Initiative vorrangig auf die Gestaltung des (all)täglichen Unterrichts.

Unter Individualisierung verstehen wir die Gesamtheit aller unterrichtsmethodischen und lern- / lehrorganisatorischen Maßnahmen, die davon ausgehen, dass das Lernen eine ganz persönliche Eigenaktivität jeder einzelnen Schülerin bzw. jedes einzelnen Schülers selbst ist, und die darauf abzielen, die Schülerinnen und Schüler dabei gemäß ihrer Persönlichkeit, ihrer Lernvoraussetzungen und Potenziale bestmöglich zu fördern und zu fordern. Unser besonderes Augenmerk gilt daher den Bereichen Lernstandsbeobachtung, Unterrichtsplanung, Aufgabengestaltung und Leistungsrückmeldung.

Vielfalt („Heterogenität“, „Diversität“) ist in der Schule der Normalfall - sowohl was individuelle Unterschiede betrifft als auch solche zwischen sozialen Gruppierungen. Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich etwa nach Leistungsfähigkeit, Lernstil, Lerntempo oder Motivlage, nach Muttersprache, Geschlecht oder sozialer Herkunft: Die „durchschnittliche“ Schülerin, den „durchschnittlichen“ Schüler gibt es nur in der Statistik!

In der Vergangenheit hat sich bereits eine ganze Reihe von Möglichkeiten des Umgangs mit dieser Tatsache im Unterricht entwickelt: Lern- und Lehrarrangements wie Teamteaching, Offenes Lernen, Wochenplanunterricht, Projektarbeit, verschiedene Formen der inneren Differenzierung (z.B. Kleingruppenarbeit, Lernateliers), regelmäßige individuelle Rückmeldungen sowie alternative bzw. ergänzende Formen der Leistungsbeurteilung (z.B. Portfolio) – um nur einige davon zu nennen. Bei der Initiative „25+“ zur Individualisierung des Unterrichts handelt es sich also keineswegs um einen pädagogischen „Neustart“. Es geht auch nicht um eine zusätzliche Aufgabe, sondern um die kontinuierliche und professionelle Weiterentwicklung bestehender Unterrichtspraxis im Zeichen zunehmender Heterogenität in den Klassen und Lerngruppen.

Konkret bedeutet dies, dass das Unterrichtsministerium in den kommenden vier Jahren – über die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl hinaus – breit gestreute Impulse und Unterstützungsmaßnahmen in diese Richtung setzen wird. Wir haben die Landes- / Stadtschulratspräsident/innen diesbezüglich bereits informiert und sehen nun weitere Informationsveranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit, Materialien- und Vernetzungsangebote für die Schulen sowie Fortbildungsschwerpunkte vor. – Pilot- bzw. Modellprojekte (z. B. Innovative Hauptschulen im Verbund; Neue Mittelschule) und deren Evaluierung sollen neue Erkenntnisse liefern und zur Verbreitung von „guter Praxis“ beitragen. Besonders wollen wir auch auf das große Potential der Neuen Medien (z. B. Lernplattformen) hinweisen. - Im Herbst 2007 werden wir den Schulen ein erstes „Unterstützungspaket“ mit grundsätzlichen Informationen, ersten Praxisbeispielen und weiterführenden Hinweisen zur Verfügung stellen.

Im Namen der Frau Bundesministerin laden wir alle österreichischen Schulen – also auch jene, die (noch) nicht von der Senkung der Klassenschülerhöchstzahl betroffen sind – sehr herzlich ein, sich ab dem Schuljahr 2007/08 aktiv an der Initiative zu beteiligen. Dies bedeutet, ausgehend von den Bedürfnissen und Notwendigkeiten am Standort und unter Berücksichtigung schulartspezifischer Gegebenheiten,

  • bestehende Lern- und Lehrroutinen bzw. deren Zweckmäßigkeit zu überprüfen,
  • neue Lern- und Lehrformen zu erproben,
  • individuelle Rückmeldungen und Empfehlungen zur Unterstützung der Schülerinnen und Schüler zu verstärken,
  • die Leistungsbeurteilung für jede Schülerin bzw. jeden Schüler nachvollziehbar zu gestalten,
  • das methodisch – didaktische und lerndiagnostische Repertoire an der Schule insgesamt zu erweitern,
  • die Zusammenarbeit in Lehrer/innen-Teams zu intensivieren,
  • einschlägige Fortbildungsangebote in Anspruch zu nehmen,
  • die Angebote und Möglichkeiten der Neuen Medien zu nutzen,
  • systematische Unterrichts- und Schulentwicklung zu betreiben.

Wir weisen darauf hin, dass derartige Maßnahmen ab dem Schuljahr 2008/2009 von den Schulen selbst im Rahmen eines Qualitätsentwicklungs- und Qualitätssicherungssystems verbindlich zu planen, zu überprüfen und zu dokumentieren sowie in Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen mit der Schulaufsicht abzustimmen sein werden. Bei Konzeption und Aufbau eines derartigen Systems werden wir besonders auf die Abstimmung mit bereits bestehenden Initiativen, wie etwa Q.I.S. – Qualität in Schulen oder Förderkonzepte, bzw. auf deren Weiterentwicklung bedacht sein. Wir ersuchen Sie, das kommende Schuljahr 2007/08 in diesem Zusammenhang als Vorbereitungsphase zu betrachten.

Wien, 19. Juni 2007

Die Bundesministerin:
Dr. Claudia Schmied

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Zugeordnete/s Sachgebiet/e

Pädagogische Angelegenheiten