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Zusammenarbeit mit außerschulischen Organisationen im Bereich Sexualpädagogik

BMBWF-33.543/0048-I/2/2018
Sachbearbeiter: Dr. Gerhard Krötzl
T +43 1 531 20-2580

Rundschreiben Nr. 5/2019 (BMBWF)

Verteiler: VII
Sachgebiet: Unterrichtsprinzipien, Bildungsbereich „Gesundheit und
Bewegung“
Inhalt: Sexualpädagogik
Geltung: unbefristet

Hintergrund und Zielsetzung der Sexualpädagogik:

Aufgabe der Schule ist es, im Zusammenwirken von Lehrkräften, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern bzw. Erziehungsberechtigten die Schülerinnen und Schüler in ihrer gesamten Persönlichkeit zu fördern. Sexuelle Entwicklung ist Teil der gesamten Persönlichkeitsentwicklung des Menschen und verläuft auf kognitiver, emotionaler, sensorischer und körperlicher Ebene.

Zeitgemäße Sexualpädagogik versteht sich heute als eine Form der schulischen Bildung, die altersentsprechend in der frühen Kindheit beginnt und sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzt. Dabei wird Sexualität als ein positives, dem Menschen innewohnendes Potential verstanden. Im Rahmen einer umfassenden Sexualpädagogik sollen Kindern und Jugendlichen Informationen und Kompetenzen vermittelt werden, um verantwortungsvoll mit sich und anderen umgehen zu können.

In diesem Prozess spielen Eltern neben Institutionen wie Kindergärten und Schulen eine zentrale Rolle (siehe dazu Grundsatzerlass Sexualpädagogik, BMBF-33.543/0038-I/9d/2015).

Verankerung in Lehrplänen und inhaltlicher Rahmen:

Sexualpädagogik als Bildungs- und Lehraufgabe ist in allen Lehrplänen als Unterrichtsprinzip bzw. als Bildungsbereich „Gesundheit und Bewegung“ verankert. Weiters sind sexualpädagogische Schwerpunktsetzungen in Pflichtgegenständen der verschiedenen Schulformen z. B. im Sachunterricht (Volksschule), in Biologie und Umweltkunde (Neue Mittelschule, Allgemeinbildende höhere Schule, Allgemeine Sonderschule, Bildungsanstalt für Elementarpädagogik), Religion (BAKIP), Psychologie (Handelsschule), Psychologie und Philosophie (Handelsakademie) enthalten.

Verantwortung der Lehrkraft und Einbeziehung außerschulischer Personen:

Grundsätzlich hat die Lehrkraft gemäß § 17 SchUG in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Aufgabe der österreichischen Schulen zu erfüllen. In diesem Sinne hat sie unter Berücksichtigung der Entwicklung der Schülerinnen und Schüler den Lehrstoff des Unterrichtsgegenstandes dem Stand der Wissenschaft entsprechend zu vermitteln. Neben den schulgesetzlichen Bestimmungen bilden die Lehrpläne, Grundsatzerlässe und andere rechtliche Grundlagen die Basis der pädagogischen Tätigkeit, wie z. B. Art 14 Abs. 5a Bundes-Verfassungsgesetz, in dem die Grundwerte der österreichischen Schule festgehalten sind, oder Artikel 2, 1. Zusatzprotokoll zur EMRK, wo das Recht auf Bildung und die erzieherischen Rechte der Eltern festgehalten werden.

Den einzelnen Lehrkräften steht es im Rahmen des Unterrichts frei, außerschulische Personen bzw. Organisationen in den Unterricht einzubinden, sofern die Einbindung ausschließlich im Zusammenhang mit dem Erarbeiten und Festigen des Lehrstoffs erfolgt, den rechtlichen Grundlagen entspricht und in der notwendigen Qualität erfolgt (siehe untenstehende Kriterien für die Feststellung der Eignung).
Für das Qualitätsmanagement der Schule ist die Schulleitung gemäß § 56 SchUG verantwortlich.

Wesentlich für eine rechtskonforme Einbeziehung von außerschulischen Personen und Organisationen in den Unterricht (z. B. Durchführung von Workshops) ist vor allem Folgendes:

  1. Einhaltung der Regelungen der Schulgeldfreiheit
    Der Unterricht an öffentlichen Schulen hat unentgeltlich zu sein. Die Einbeziehung von außerschulischen Expertinnen und Experten darf mit keinen Kostenauswirkungen für die Erziehungsberechtigten verbunden sein. Diese Regelung kann auch nicht mit Genehmigung z. B. des Schulgemeinschaftsausschusses (SGA) geändert werden. Die Vorschreibung und Einhebung von (verpflichtenden) Kostenbeiträgen durch die Erziehungsberechtigten zwecks Durchführung der „Workshops“ am Schulstandort ist daher im Hinblick auf die Schulgeldfreiheit nicht zulässig.
  2. Einhaltung der Regelungen betreffend die Unterrichtsarbeit der Lehrkräfte gemäß § 17 Schulunterrichtsgesetz (SchUG).
    Die Lehrkraft ist für die Zeit der Durchführung des „Workshops“ nicht ihrer Hauptaufgabe, der Unterrichts- und Erziehungsarbeit, entbunden. D. h. auch bei Einbindung außerschulischer Expertinnen und Experten wird nicht nur die gänzliche Anwesenheit der Lehrkräfte im Rahmen des Unterrichts vorausgesetzt, sondern der Lehrkraft obliegt weiterhin die Unterrichtsarbeit (z. B. Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie Unterrichtserteilung mit Einbeziehung der Expertinnen und Experten). Durch die Einladung der Expertinnen und Experten kann die Unterrichtserteilung nicht gänzlich an diese delegiert werden.
  3. Da – wie im Grundsatzerlass Sexualpädagogik geregelt – den Eltern und Erziehungsberechtigten im Bereich der sexuellen Bildung eine zentrale Aufgabe zukommt, sind die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten rechtzeitig im Vorfeld über die Einbindung von außerschulischen Personen und Organisationen z. B. im Rahmen eines Elternabends über Folgendes zu informieren:
    • Name der Person/Organisation und deren wertebezogenen Hintergrund
    • Geplante Inhalte und Methoden
    • Verwendete Materialen sollten den Eltern vorgestellt bzw. zur Verfügung gestellt werden.
  4. Es ist darauf zu achten, dass die außerschulischen Organisationen nachweislich eine spezielle „Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge“ über die in ihrem Auftrag oder über ihre Empfehlung im Schulbereich tätigen Personen eingeholt haben und die eingesetzten didaktischen Methoden und Inhalte altersgemäß sind sowie an die Lebenswelt der Kinder anknüpfen (siehe auch Grundsatzerlass Sexualpädagogik, Kap. C5).

Im Zweifel wird empfohlen, sich über die Seriosität und Qualität der außerschulischen Person bzw. Organisation bei der jeweiligen Clearingstelle im Bereich der Sexualpädagogik, die in den Bildungsdirektionen eingerichtet ist, zu informieren.

Folgende Kriterien sind für die Feststellung der Eignung jedenfalls anzuwenden:

a) Übereinstimmung mit der vom Lehrplan bzw. dem Grundsatzerlass für Sexualpädagogik vorgeschriebenen Bildungs- und Lehraufgabe, den didaktischen Zielsetzungen und den wesentlichen Inhalten des Lehrstoffes. Berücksichtigung des Grundsatzes der aktiven Teilnahme der Schülerinnen und Schüler am Unterricht.
b) Berücksichtigung des Grundsatzes der Anpassung des Inhaltes an die Lebenswelt bzw. das Auffassungsvermögen der Schülerinnen und Schüler (Schülerin- oder Schüleradäquatheit des Unterrichtsmittels in Bezug auf Aufnahmekapazität, Lebenswelt, Alter, Interessen und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler).
c) Sachliche Richtigkeit des Inhaltes und seine Übereinstimmung mit dem jeweiligen Stand der Wissenschaft des betreffenden Wissensgebietes.
d) Ausreichende Berücksichtigung der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler sowie ihrer zukünftigen Arbeitswelt einschließlich der spezifischen österreichischen und europäischen Verhältnisse.
e) Orientierung am Prinzip der Gleichstellung der Geschlechter sowie Vielfalt der Lebensformen und Ausrichtung an den internationalen Menschenrechten.
f) Das Indoktrinationsverbot (Art. 2, 1. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention) wonach die Lehrkräfte der Schule verpflichtet sind, einen vorurteilsfreien Unterricht anzubieten, ohne geschlechtsstereotypen Zuweisungen.

Wien, 4. März 2019

Für den Bundesminister:
Mag. Martin Netzer, MBA

Zugeordnete/s Sachgebiet/e

Unterrichtsprinzipien